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Inhalt

    Einführung

    Nachhaltiges Wirtschaften oder nachhaltige Entwicklung ist ein globaler Trend, der mittlerweile alle Wirtschaftssektoren erfasst hat – auch den Bausektor.

    Die Ursachen dieser Entwicklung sind vielfältig, einerseits zunehmende Umweltprobleme, die aus der Begrenztheit vieler Rohstoffe resultieren, der nicht unbegrenzten Verfügbarkeit fossiler Energieträger oder auf der „Output-Seite“ das unkontrollierte Freisetzen von Treibhausgasen, die den Klimawandel beschleunigen, sowie das stetig wachsende Abfallaufkommen. Andererseits haben aber auch nüchterne wirtschaftliche Überlegungen dazu geführt, nicht nur die Herstellungskosten von Produkten zu betrachten, sondern auch die Kosten für deren Betrieb, Instandhaltung und letzten Endes auch Entsorgung.

    Viele dieser Entwicklungen haben aber auch langfristige gesellschaftliche Auswirkungen, die sich oft nur schwer einschätzen lassen, wie z. B. Flächenverbrauch und Zersiedelung, die Leistbarkeit des Wohnens, regionale Wirtschaftsentwicklung und Arbeitsplätze etc. Dazu kommt, dass sich der Begriff „Nachhaltigkeit“ zwischenzeitlich zu einem Modewort entwickelt hat, das zum Teil in unterschiedlichen Bedeutungen und auch oft missbräuchlich verwendet wird.

    Nachhaltigkeit ist eigentlich ein uraltes forstwirtschaftliches Prinzip. Ein sächsischer Berghauptmann, Hans Carl v. Carlowitz, wird vielfach als „Vater der Nachhaltigkeit“ angesehen, der bereits vor 300 Jahren, im Jahre 1713, in seiner „Sylvicultura oeconomica“ festgestellt hat, dass eine kontinuierliche nachhaltende Nutzung des Waldes eine unentbehrliche Sache ist.

    Nach anderen Quellen wurde dieses Prinzip bereits 1144 in der Forstordnung des elsässischen Klosters Maursmünster (heute: Marmoutier) in den Sinne niedergeschrieben, dass nicht mehr Holz eingeschlagen werden darf, als jeweils nachwächst. Demnach könnte man „Nachhaltigkeit“ vereinfacht als „langfristig wirksam“ interpretieren.

    Seit mittlerweile einem Vierteljahrhundert wird „nachhaltig“ auch als – nicht sehr glückliche – Übersetzung des englischen Worts „sustainable“ verwendet, was in etwa mit „langfristig verträglich“ übersetzt werden kann. Dieser nicht unerhebliche Unterschied, nämlich langfristig wirksam und langfristig verträglich, mag eine der Ursachen sein für die vielfältigen Missverständnisse und Verwirrungen rund um diesen Begriff.

    Eine einheitliche und allgemein anerkannte Definition von Nachhaltigkeit gibt es bis heute nicht, wenngleich es nicht an Versuchen mangelt. 1987 wurde im Bericht der sogenannten „Brundtland-Kommission“ an die Vereinten Nationen mit dem Titel „Unsere gemeinsame Zukunft“ (Our common future) nachhaltige Entwicklung als eine definiert, „die die Bedürfnisse der Gegenwart befriedigt, ohne zu riskieren, dass zukünftige Generationen ihre eigenen Bedürfnisse nicht befriedigen können“.

    1992, also fünf Jahre später, wurde bei der Konferenz der Vereinten Nationen über Umwelt und Entwicklung in Rio de Janiero im Rahmen der „Rio Declaration“ nachhaltige Entwicklung als eine festgeschrieben, „die weltweit über Generationen fortgeführt werden kann, ohne Naturhaushalt und Gesellschaft in ihrer Funktionsfähigkeit zu beeinträchtigen“.

    Als Vorläufer dieser Entwicklung ist auch der Bericht an den Club of Rome „Limits to Growth“ von Dennis Meadows zu nennen, der in verschiedenen, von ihm durchgerechneten Szenarien die Endlichkeit bzw. Begrenztheit vieler Ressourcen bewusst gemacht hat.

    Der Bausektor stellt in vielerlei Hinsicht eine Schlüsselbranche in unserem Wirtschaftsleben dar, nicht zuletzt in seinen Auswirkungen auf die Umwelt. Jeder Schritt in Richtung mehr Nachhaltigkeit hat daher in dieser Branche einen besonderen Multiplikationseffekt. Einige Zahlen (für die Europäische Union) verdeutlichen dies, der Bausektor ist verantwortlich für

    • 10 % des Bruttoinlandsprodukts,
    • 7 % der Arbeitsplätze,
    • 40 % des Energieverbrauchs im Gebäudesektor,
    • 25 % des Abfallaufkommens, unter Einbeziehung des Aushubmaterials über 50 %.

     

    Bauen benötigt aber nicht nur Energie, sondern auch große Mengen stofflicher Ressourcen. Wie der österreichische Aktionsplan Ressourceneffizienz (REAP) zeigt, liegt der durchschnittliche tägliche Verbrauch an stofflichen Ressourcen bei 66 kg/Kopf (EU-Schnitt 43 kg/Kopf). 2008 lag der gesamte Ressourcenverbrauch in Österreich bei ca. 200 Mio. Tonnen, davon 123 Mio. Tonnen nicht metallische Mineralstoffe (62 %), der Anteil der Biomasse betrug mit 43 Mio. Tonnen 22 % und jener fossiler Energieträger mit 25 Mio. Tonnen immerhin noch 13 %.

    Einem hohen Materialverbrauch steht naturgemäß ein großes Abfallaufkommen gegenüber. Der jüngste Bundesabfallwirtschaftsplan von 2011 (Datenbasis 2009) verdeutlicht dies mit folgenden Zahlen

    • Abfallaufkommen gesamt: 53,0 Mio. Tonnen,
    • davon Aushubmaterial 23,3 Mio. Tonnen,
    • davon mineralische Abfälle aus dem Bauwesen 6,6 Mio. Tonnen,
    • davon Holzabfälle 4,8 Mio. Tonnen.

     

    Im Gegensatz zu allen anderen Wirtschaftssektoren ist die Verweildauer der „verbrauchten“ stofflichen Ressourcen im „Produkt Bauwerk“ jedoch erheblich länger; Bauwerke insgesamt, aber auch Gebäude im Besonderen weisen die mit Abstand höchsten Produktlebens- und Nutzungsdauern auf. Während gängige Gebäudezertifizierungssysteme meist von einer angenommenen Nutzungsdauer von 50 Jahren ausgehen, unterscheiden sich doch Gebäude mit unterschiedlicher Nutzung in ihrer mittleren Nutzungsdauer erheblich: So können für Wohngebäude im Schnitt auch 80 bis 100 Jahre angenommen werden, für Büro- und Verwaltungsgebäude ca. 50 Jahre, während für Gewerbe-, Handels- und Industriebauten bei fallender Tendenz meist von 10 bis 30 Jahren ausgegangen wird.

    Auch wenn zu Baustoffen verarbeitete Rohstoffe nicht einfach verschwinden, so sind sie doch in der gebauten Umwelt oder auf Deponien dispers verteilt und damit kaum oder nur erschwert verarbeitbar. Bei aller Notwendigkeit des „urban mining“, das sich nur bei hochwertigen und hochpreisigen Rohstoffen rechnen wird, löst auch dieses für den Bausektor nur einen kleinen Teil der Probleme künftiger Generationen.

    Das Drei-Säulen-Modell

    Sein Ursprung lässt sich nicht mehr eindeutig zuordnen, dürfte jedoch etwa 20 Jahre zurückliegen. Während im Bericht der Brundtland-Kommission und der darin enthaltenen Definition von Nachhaltigkeit die soziale und die wirtschaftliche Dimension im Vordergrund stehen, fügt fünf Jahre später, 1992, die Rio Declaration die Umweltdimension hinzu. Daraus haben sich die drei Betrachtungsebenen entwickelt, seit etwa Mitte der 1990er Jahre hat sich die gleichberechtigte Betrachtung der drei Dimensionen im sogenannten „magischen Dreieck der Nachhaltigkeit“ bis heute weitgehend durchgesetzt.

    Das "magische Dreieck" der Nachhaltigkeit und die Integration starker und schwacher Nachhaltigkeit
    Abbildung 8-01: Das "magische Dreieck" der Nachhaltigkeit und die Integration starker und schwacher Nachhaltigkeit

     

    Dennoch ist dieses Modell nicht unumstritten. Aus der gleichberechtigten Betrachtung aller drei Dimensionen ist ja auch zwangsläufig abzuleiten, dass Defizite in einer Dimension durch Stärken in anderen ausgeglichen werden können. Damit ließe sich Ökonomie gegen Umwelt ausspielen.

    Im allgemeinen Nachhaltigkeitsdiskurs finden sich auch immer wieder die Begriffe „starke“ und „schwache“ Nachhaltigkeit: Während das Drei-Säulen-Modell mit der daraus resultierenden (wohl begrenzten) Austauschbarkeit der schwachen Nachhaltigkeit entspricht, postuliert das Konzept der starken Nachhaltigkeit, dass ohne natürliche Lebensgrundlagen keine ökonomische oder soziale Stabilität möglich ist. Starke Nachhaltigkeit fordert primär langfristig stabile Lebensbedingungen, die einen sogenannten „Entwicklungskorridor“ darstellen.

    Ein Spielraum zur Umsetzung wirtschaftlicher und/oder sozialer Ziele besteht demnach nur innerhalb dieses Korridors, weshalb auch von einem „Leitplankenmodell“ als Gegenmodell zum Drei-Säulen-Modell gesprochen wird. Als Kompromiss zwischen diesen beiden Konzepten findet sich in der Literatur eine integrative Darstellung des Drei-Säulen-Modells, das sich in einer modifizierten Form des in den Naturwissenschaften verbreiteten Drei-Phasen-Diagramms darstellen lässt.

    In der englischen Literatur ist als modifizierte Darstellung des Dreiecks der Nachhaltigkeit oft auch von der sogenannten „triple-bottom-line“ zu lesen, gewissermaßen der „Schlussstrich“ unter der Ergebnisrechnung der „dreidimensionalen Buchhaltung“ der Nachhaltigkeit.

    Der Lebenszyklusgedanke

    Wurde in der Antike – zumindest für Götter und herrschende Klasse – nahezu „für die Ewigkeit“ gebaut, führten wirtschaftliche Sachzwänge und sicher auch technische Entwicklungen zu billigeren Bauweisen. An der Entwicklung von Wandquerschnitten vom massiven Natursteinmauerwerk bis zum Ziegelmauerwerk mit dünnen Naturstein-Verblendern, die nach außen hin Natursteinmauerwerk vortäuschen, lässt sich dies anschaulich darstellen.

    Nach den Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs in weiten Teilen Europas war jedoch rasche und möglichst kostengünstige Bedürfnisbefriedigung, im Wohnbau ebenso wie im Gewerbe- und Industriebau, gefragt. Ermöglicht wurde das durch eine bis dahin ungeahnte technologische Entwicklung verbunden mit gleichzeitigem Wirtschaftswachstum. Die Folge dieser Entwicklung, die ihren (architektonischen und technologischen) Tiefpunkt in den 60iger und 70iger Jahren des 20. Jahrhunderts erreichte, lässt sich an zahlreichen Gebäuden ersehen, die bereits nach 40 Jahren die „technische Abbruchreife“ erreichen.

    Dennoch zeigen Bauwerke, Gebäude ebenso wie Ingenieurbauwerke, die höchsten Produktlebensdauern aller Wirtschaftssektoren, insbesondere die Tragstrukturen, also der sogenannte Rohbau. Die Teile des Innenausbaus und insbesondere der technischen Gebäudeausrüstung weisen nicht zuletzt aufgrund von Verschleiß und technologischer Entwicklung deutlich kürzere Lebens- und auch Nutzungsdauern auf. Es macht also rein wirtschaftlich betrachtet durchaus Sinn, Gebäude auf eine realistische Nutzungsdauer hin auszulegen und die auszuwählenden Bauprodukte in ihrer Lebensdauer darauf abzustimmen.

    Betriebs- und Instandhaltungskosten sowie die mittel- bis langfristige Wertentwicklung von Immobilien fordern seit einiger Zeit zunehmend von den Planern, längerfristig, wenn schon nicht lebenszyklusorientiert zu planen. War der „Nutzungsdauerkatalog“ für bauliche Anlagen und Anlagenteile lange Zeit so ziemlich das einzige Nachschlagewerk für Referenzwerte mittlerer Nutzungsdauern, gibt es heute allein im deutschen Sprachraum zahlreiche Studien und Leitfäden, aus denen Mittelwerte oder Bereiche für Lebens- und Nutzungsdauern von Bauteilen abgeleitet werden können. Für Tragstrukturen liefert die EN 1990 als Grundlage EUROCODE-basierter Bemessungen Hinweise, auf welche mittlere Nutzungsdauer Tragstrukturen auszulegen sind.

    Neben diesen funktionalen und wirtschaftlichen Betrachtungen spielt der Lebenszyklus aber auch bei ökologischen Überlegungen eine entscheidende Rolle, nicht zuletzt im Hinblick auf die Verringerung der Inanspruchnahme nicht erneuerbarer Ressourcen und des damit verbundenen Abfallaufkommens, wie im Abschnitt 8|2 noch näher ausgeführt wird.

    Diese Überlegungen sind auch Grundlage eines vergleichsweise jungen Planungskonzepts, des „Life Cycle Design“. Ziel des Life Cycle Design ist es, entsprechend der geplanten Nutzungsdauer Gebäude und alle ihre Komponenten so zu konzipieren, dass der Aufwand für Betrieb und Instandhaltung entsprechend der gewünschten Funktionalität optimiert wird. Meist steht eine Senkung der Lebenszykluskosten dabei im Vordergrund, doch lassen sich bei entsprechender integraler Planung über Ressourcenverbrauch und Abfallaufkommen auch erhebliche ökologische Vorteile lukrieren, ein Beispiel für die Korrelation von Ökologie und Ökonomie bei entsprechender Planung.

    Gemeinsamer Nenner aktueller Nachhaltigkeitsbetrachtungen bzw. Nachhaltigkeitsbewertungen ist der ganzheitliche Zugang über den gesamten Lebenszyklus eines Produkts, also auch eines Gebäudes. Das bedeutet, dass alle Aufwendungen (Ressourcen, Umweltwirkungen, Kosten) über den Lebensweg gerechnet werden. Daher kommt der Dauerhaftigkeit von Bauprodukten in diesem Zusammenhang eine besondere Bedeutung zu, unter der Voraussetzung einer entsprechend langen Nutzungsdauer. Je länger ein Bauteil verwendet werden kann, umso größer ist der Zeitraum, über den z. B. Emissionen verteilt werden. Höhere Aufwendungen in der Herstellung reduzieren sich bei langer Lebens- und Nutzungsdauer entsprechend, wenn Bauteile nicht vollständig oder teilweise ausgetauscht werden müssen. Sachgerecht eingebaute Mauerziegel weisen eine Lebensdauer auf, die übliche Nutzungsdauern erheblich überschreitet und bedürfen in der Regel keiner Wartung oder Instandhaltung.

    Vielfach ist auch bei außerplanmäßigen Einwirkungen wie z. B. Durchfeuchtung eine Fortsetzung der Funktionserfüllung gegeben: Eine länger einwirkende Durchfeuchtung des „keramischen Scherbens“ beeinträchtigt nicht seine Festigkeit, durch das Eindringen von Wasser in seine Poren bzw. in allfällige Hohlräume werden jedoch seine thermischen Eigenschaften bis zur Austrocknung beeinträchtigt, ebenso bei Frosteinwirkung wassergesättigter Ziegel, weshalb Mauerziegel vor Niederschlägen zu schützen sind (im Gegensatz zum Klinker). Diese Widerstandsfähigkeit gegenüber bzw. weitgehende Funktionserfüllung bei außerplanmäßigen Einwirkungen wird durch den Begriff „Robustheit“ beschrieben. Ähnliche Eigenschaften beschreibt auch der Begriff „Resilienz“, also die Fähigkeit eines Systems, bei einem Teilausfall nicht vollständig zu versagen. (Gebrannte) Ziegel, insbesondere geschützte Mauerziegel, erfüllen diese Eigenschaften – nicht zuletzt zufolge des energieintensiven Brennprozesses - in hohem Maße.

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