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Inhalt

    Bemessungsgrundlagen

    Mauerwerksbemessung

    Mit der Einführung der Europäischen Normenreihe EN 1990-1999 in das österreichische Normenwesen gelangte eine stärker auf ingenieurmäßigen Grundlagen basierende Sicht des Mauerwerksbaues in die österreichische Baurealität. Auch wenn die meisten Ziegelbauten mit der, gewisse Anwendungsgrenzen wie Geschoßanzahl oder Geschoßhöhen einhaltenden und deshalb einfacheren ÖNORM EN 1996-3 durchaus realisiert werden können, sind viele Grundlagen in der praktisch viel weitergehenden ÖNORM EN 1996-1-1 definiert und soll deswegen auch das Arbeiten mit dieser Norm genauer erläutert werden. Neben dem klassischen Ziegelmauerwerk sind hier Regeln für bewehrtes, eingefasstes und vorgespanntes Mauerwerk sowie Füllziegelmauerwerk erfasst. Speziell bewehrtes Mauerwerk in Verbindung mit Füllziegeln und Rostbalken ermöglicht wegen der Möglichkeit der Zugkraftaufnahme durch eingelegte Stahlbewehrung eine spürbare Steigerung des Widerstandes bei Erdbebenbeanspruchung und erhöht die Rissesicherheit von Wänden.

    Im Bereich der Grundlagen ist die Ermittlung der Mauerwerksfestigkeit beschrieben. Durch die offenen Definitionen wird hier die Weiterentwicklung von Mauerwerk aus geklebten Ziegeln ermöglicht. Grundsätzlich gilt, dass die verwendeten Baustoffe den jeweiligen Produktnormen und den Anforderungen der ÖNORM EN 1996-1-1 und ÖNORM B 1996-1-1 bzw. der ÖNORM B 1996-3 entsprechen oder – wenn entsprechende Zulassungen vorliegen, diese zumindest sinngemäß erfüllen müssen.

     

    Bemessungs- und Konstruktionsnormen für Mauerwerk
    Tabelle 6-01: Bemessungs- und Konstruktionsnormen für Mauerwerk

     

    Anwendungsbereiche EC6 und EC8

    Hinsichtlich der Bemessung und den Entwurf von Mauerwerkskonstruktionen sind die Eurocodes 6 und 8 heranzuziehen, die sich gegenseitig ergänzen.

    Anwendungsbereich EC6 - Definition ÖNORM EN 199-1-1

    Der Eurocode 6 gilt für den Entwurf, die Berechnung und Bemessung von Hoch- und lngenieurbauwerken bzw. Teilen davon, die mit unbewehrtem, bewehrtem, vorgespanntem oder eingefasstem Mauerwerk ausgeführt werden. Der Eurocode 6 behandelt ausschließlich Anforderungen an die Tragsicherheit, die Gebrauchstauglichkeit und die Dauerhaftigkeit von Tragwerken. Andere Anforderungen, z. B. an den Wärme- und Schallschutz, werden nicht behandelt. Die Ausführung wird nur so weit behandelt, wie dies zur Festlegung der Qualitätsanforderungen an die zu verwendenden Baustoffe und Bauteile und der Ausführungsqualität zur Erfüllung der Annahmen bei der Tragwerksplanung erforderlich ist. Der Eurocode 6 behandelt nicht die besonderen Anforderungen an den Entwurf für erdbebengefährdete Bauwerke. Festlegungen zu entsprechenden Anforderungen sind im Eurocode 8 enthalten, er ergänzt Eurocode 6 und ist mit diesem abgestimmt.

    Anwendungsbereich EC8 - Definition ÖNORM EN 1998-1

    Die Reihe EN 1998 gilt für Entwurf, Bemessung und Konstruktion von Bauwerken des Hochund Ingenieurbaus in Erdbebengebieten. Das Ziel ist sicherzustellen, dass bei Erdbeben menschliches Leben geschützt ist, Schäden begrenzt und wichtige Bauwerke zum Schutz der Bevölkerung funktionstüchtig bleiben. Der Abschnitt 9 der EN 1998-1 gilt für die Bemessung von Hochbauten aus unbewehrtem, eingefasstem und bewehrtem Mauerwerk in Erdbebengebieten. Für die Bemessung von Mauerwerksbauten gilt EN 1996.

    Gebäudeklassen OIB bzw. ÖNORM B 3806

    Nach den Begriffsbestimmungen der OIB-Richtlinien sind Gebäude überdeckte, allseits oder überwiegend umschlossene Bauwerke, die von Personen betreten werden können. Diese Gebäude werden weiter noch in Gebäudeklassen, in Abhängigkeit vom Fluchtniveau und der Brutto-Grundfläche eingeteilt.

    Gebäude der Gebäudeklasse 1 (GK1)

    Freistehende, an mindestens drei Seiten auf eigenem Grund oder von Verkehrsflächen für die Brandbekämpfung von außen zugängliche Gebäude mit nicht mehr als drei oberirdischen Geschoßen, mit einem Fluchtniveau von nicht mehr als 7,00 m und insgesamt nicht mehr als 400 m² Brutto-Grundfläche der oberirdischen Geschoße, bestehend aus nicht mehr als zwei Wohnungen oder einer Betriebseinheit.

    Gebäude der Gebäudeklasse 2 (GK2)

    Gebäude mit nicht mehr als drei oberirdischen Geschoßen und mit einem Fluchtniveau von nicht mehr als 7,00 m von insgesamt nicht mehr als 400 m² Brutto-Grundfläche der oberirdischen Geschoße; Reihenhäuser mit nicht mehr als drei oberirdischen Geschoßen und mit einem Fluchtniveau von nicht mehr als 7,00 m, bestehend aus Wohnungen bzw. Betriebseinheiten von jeweils nicht mehr als 400 m² Brutto-Grundfläche der oberirdischen Geschoße; freistehende, an mindestens drei Seiten auf eigenem Grund oder von Verkehrsflächen für die Brandbekämpfung von außen zugängliche Gebäude mit ausschließlicher Wohnnutzung mit nicht mehr als drei oberirdischen Geschoßen und mit einem Fluchtniveau von nicht mehr als 7,00 m von insgesamt nicht mehr als 800 m² Brutto-Grundfläche der oberirdischen Geschoße.

    Gebäude der Gebäudeklasse 3 (GK3)

    Gebäude mit nicht mehr als drei oberirdischen Geschoßen und mit einem Fluchtniveau von nicht mehr als 7 m, die nicht in die Gebäudeklassen 1 oder 2 fallen.

    Gebäude der Gebäudeklasse 4 (GK4)

    Gebäude mit nicht mehr als vier oberirdischen Geschoßen und mit einem Fluchtniveau von nicht mehr als 11 m, bestehend aus mehreren Wohnungen bzw. mehreren Betriebseinheiten von jeweils nicht mehr als 400 m² Nutzfläche der einzelnen Wohnungen bzw. Betriebseinheiten in den oberirdischen Geschoßen. Gebäude mit nicht mehr als vier oberirdischen Geschoßen und mit einem Fluchtniveau von nicht mehr als 11 m, bestehend aus einer Wohnung bzw. einer Betriebseinheit ohne Begrenzung der Brutto-Grundfläche der oberirdischen Geschoße.

    Gebäude der Gebäudeklasse 5 (GK5)

    Gebäude mit einem Fluchtniveau von nicht mehr als 22 m, die nicht in die Gebäudeklassen 1, 2, 3 oder 4 fallen.

    Bauwerke mit einem Fluchtniveau über 22 m werden dann als Hochhaus bezeichnet, wobei die OIB-Richtlinie 2.3 hier noch in Gebäude mit einem Fluchtniveau von nicht mehr als 32 m, mehr als 32 m und nicht mehr als 90 m sowie mehr als 90 m unterscheidet.

    ÖNORM EN 1990 – CC-Klassen

    In Anlehnung an die ÖNORM EN 1990 wurde in der ÖNORM B 1990-1 im Anhang B die Behandlung der Zuverlässigkeit im Bauwesen zusammenfassend geregelt. Hier erfolgt auch die Verknüpfung der drei Zuverlässigkeitsklassen (RC = Reliability Classes) mit den Schadensfolgeklassen (CC = Consequences Classes).

     

    Schadensfolgeklassen gemäß ÖNORM B 1990-1
    Tabelle 6-03: Schadensfolgeklassen gemäß ÖNORM B 1990-1

     

    Hinsichtlich der Differenzierung der Zuverlässigkeit von Bauwerken sind die Schadensfolgeklassen (CC) näher definiert, bei denen die Auswirkungen des Versagens oder der Funktionsbeeinträchtigung eines Tragwerks betrachtet werden. Im Zusammenhang mit einem Katastrophenmanagement oder einer Risikoanalyse können die jeweiligen Schadensfolgeklassen auch abweichend von der in Tabelle 6-03 enthaltenen Klassifizierung festgelegt werden. Dies kann auch für einzelne Teile eines Tragwerks erfolgen und obliegt üblicherweise den zuständigen Behörden, die die Baubewilligung erteilen.

    Die Ermittlung der Personenanzahl erfolgt in Abhängigkeit von der jeweiligen Nutzungskategorie (Tabelle 6-04). Bei Bauwerken mit unterschiedlichen oder mehreren Nutzungsmerkmalen sind die für die einzelnen Nutzungsmerkmale ermittelten Personenzahlen in der Regel zu addieren, wenn die einzelnen Nutzungen unterschiedlichen Personen zugeordnet sind (z. B. Bettentrakt und Verwaltungstrakt in Krankenhäusern).

    Die Mehrfachberücksichtigung von Personen in einem Bauwerk ist nicht erforderlich, wenn die einzelnen Nutzungen gleichen Personen oder unterschiedlichen Betriebszeiten zugeordnet sind (z. B. Stellplatz in der Garage und zugehörige Wohnung). Ein gesonderter Nachweis der möglichen Gleichzeitigkeit der Personen ist unter Berücksichtigung der Gesamtnutzung des Bauwerks zu erbringen.

     

    Personenanzahl je Nutzungsmerkmal gemäß ÖNORM B 1990-1
    Tabelle 6-04: Personenanzahl je Nutzungsmerkmal gemäß ÖNORM B 1990-1

     

    Auf Basis der nunmehr definierten Schadensfolgeklassen (CC) ist auch eine Zuordnung zu den Bedeutungskategorien (I bis IV) gemäß ÖNORM EN 1998-1 sowie den Versagensfolgeklassen (1 bis 3) gemäß ÖNORM EN 1991-1-7 gegeben.

     

    Bedeutungskategorien und Versagensfolgeklassen auf Basis der Schadensfolgeklassen gemäß ÖNORM B 1990-1
    Tabelle 6-05: Bedeutungskategorien und Versagensfolgeklassen auf Basis der Schadensfolgeklassen gemäß ÖNORM B 1990-1

     

    ÖNORM EN 1990 – Überwachungsmaßnahmen

    Überwachungsmaßnahmen bei der Planung (DSL)

    Die Differenzierung der Überwachungsmaßnahmen bei der Planung besteht in verschiedenen organisatorischen Qualitätssicherungsmaßnahmen, die kombiniert werden können. Die Festlegung einer bestimmten Stufe für Überwachungsmaßnahmen kann auch mit anderen Maßnahmen wie der Klassifizierung des Planers oder der Prüfinstanz verbunden sein. Zugehörig zu den drei Zuverlässigkeitsklassen (RC) werden auch drei Stufen für Überwachungsmaßnahmen bei der Planung (DSL = Design Supervision Levels) angegeben.

     

    Überwachungsmaßnahmen bei der Planung (DSL) gemäß ÖNORM B 1990-1
    Tabelle 6-0: Überwachungsmaßnahmen bei der Planung (DSL) gemäß ÖNORM B 1990-1

     

    Überwachungsmaßnahmen bei der Herstellung (IL)

    Hinsichtlich der Bauausführung werden drei Überwachungsstufen für die Herstellung (IL = Inspection Levels) angegeben und diese wieder mit den drei Zuverlässigkeitsklassen (RC) verbunden.
    Die drei Überwachungsstufen sind mit den verschiedenen Qualitätsklassen der Herstellung verknüpft und müssen durch Qualitätssicherungsmaßnahmen sichergestellt werden.

     

    Überwachungsstufen (IL) für die Herstellung – ÖNORM B 1990-1
    Tabelle 6-07: Überwachungsstufen (IL) für die Herstellung – ÖNORM B 1990-1

     

    Veränderung der Teilsicherheitsbeiwerte

    Ein Weg zur Differenzierung der Zuverlässigkeit von Tragwerken besteht auch in der Klassifizierung nach Teilsicherheitsbeiwerten sowohl für die Einwirkungen wie auch die Widerstände mittels KFI-Faktoren, wobei gleiche Überwachungsstufen sowohl in der Planung wie auch der Herstellung vorausgesetzt werden.

     

    Überwachungsstufen (IL) für die Herstellung – ÖNORM B 1990-1
    Tabelle 6-08: Überwachungsstufen (IL) für die Herstellung – ÖNORM B 1990-1

     

    Unabhängig von der Forderung der Überwachungsmaßnahmen ist auch eine Abminderung des Teilsicherheitsbeiwerts für eine Baustoff- oder Produkteigenschaft oder einen Bauteilwiderstand möglich, wenn höhere Überwachungsklassen der Herstellung (IL) zusammen mit höheren Anforderungen angewendet werden. Die Prüfung der Wirksamkeit dieser Maßnahmen ist jedoch durch Bauteilprüfungen und durch eine vollständige probabilistische Betrachtung unter Einhaltung der geforderten Zuverlässigkeitsklasse (RC) zu belegen.

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