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Klaus Kiessler: ROH und GEBRANNT

Herr Baumeister Ing. Klaus Kiessler ist Geschäftsführer der MEDILIKKE -Immobilien - Bauträger Ges.m.b.H.

 

"Lebensträume in Lebensräume zu verwandeln" und durch nachhaltiges Planen und Bauen in die Zukunft unserer Kinder zu investieren - dies ist nicht nur Unternehmensleitbild sondern ein echtes Anliegen des Mödlinger Bauträgerunternehmens MEDILIKKE.

Vorrangiges Ziel ist die Schaffung von qualitativ hochwertigem (Wohn)Raum zu fairen Preisen mit dem Faktor 4 (definiert als doppelter Wohlstand bei halbem Naturverbrauch). Außerdem sind die Reduktion der CO2-equivalenten Emissionen auf 20 % des gegenwärtigen Levels (Bezugsjahr 1999) und die Vollversorgung der Gebäu-de mit erneuerbarer Energie bis 2020 die erklärten Ziele von Baumeister Ing. Klaus Kiessler und seinem Team. Die Bau-Philosophie des Unternehmens soll verstärkt sämtliche Ansätze des solaren Planens und Bauens integrieren. Dies geht von der sorgfältigen Auswahl der Baumaterialien nach biologischen und ökologischen Krite-rien über thermische Gebäudeoptimierung bis zu umweltschonenden Haustechnik- und Energiekonzepten.

Das Interview dreht sich um das "innovativste Passivhaus-Bürogebäude Österreichs" mit dem Namen "SOL4 Büro- und Seminarzentrum Eichkogel" in Mödling.
Interviewpartner ist Herr Baumeister Ing. Klaus Kiessler, Geschäftsführer der MEDILIKKE -Immobilien - Bauträger Ges.m.b.H.


Was heißt SOL4?

SOL4 war der Name meines Lehrganges für Solararchitektur an der Donau-Universität Krems. Daraus ist auch der Name für unser neues Büroprojekt entstanden. Für die Erstentwürfe habe ich ein paar Kolleginnen und Kollegen aus unserem damaligen Lehrgang zu einem kleinen Workshop eingeladen. Jeder Teilnehmer hat einen Vorschlag gebracht - außer mir - dann gegenseitige konstruktive Kritik, Entwürfe wurden begutachtet und schließlich fiel die Entscheidung für den Entwurf von Architektin Ruth König, welchen wir weiter verfolgt und verfeinert haben.


Wofür steht SOL4?

Projekt SOL4

Für mich steht SOL4 (www.sol4.info) ganz stark für das Zusammenspiel zwischen Arbeiten, Leben und Wohnen. Weil man letztendlich immer sehr viel im Büro ist, war der Schwerpunkt für mich immer so etwas wie das "erweiterte Wohnzimmer", mit einer Infrastruktur für Rückzug- und sogar Freizeitbereiche. Wir befinden uns hier unmittelbar am Rand des Naturschutzgebietes Eichkogel - gleich mitten im Grünen. Im Zentrum stehen nicht das Gebäude an sich, sondern die Nutzer mit ihrer Lebensphilosophien und Wünschen, darauf wollten wir dann einfach mit der Gebäudehülle reagieren.
In erster Linie bedeutet dies, ein ökologisches Gebäude zu errichten, in dem sich die Menschen auf Grund der darin eingesetzten Materialien wirklich wohl fühlen. Für mich war es von Anfang an klar, dass SOL4 zumindest ein Niedrigstenergiehaus sein muss - versorgt mit erneuerbarer Energie. Hier hat uns unsere Erfahrung auf dem Gebiet des Wohnbaus geholfen. Dann war es nicht mehr weit zu sagen: Bauen wir ein Passivhaus!


Welches sind Ihrer Meinung nach die herausragendsten Besonderheiten oder Merkmale dieses Büro-Passivhauses?

In erster Linie war uns die bewusste ökologische Materialauswahl wichtig, und ergänzend dazu, in verstärktem Maße, die Chemikalienfreiheit. Wir haben beispiels-weise komplett auf PVC verzichtet, inklusive der Elektroinstallationen. Diese Mehrkosten haben wir - im Sinne der Gesamtphilosophie - ebenfalls auf uns genommen.
Dann natürlich das Energiekonzept in seiner Gesamtheit.
Eine weitere Besonderheit ist auch noch die Großzügigkeit im Umgang mit den Flächen. Dies bemerkt man schon beim Betreten des Gebäudes, im Atrium. Es erstreckt sich, verbunden durch eine 8 Meter hohe Wasserwand, über insgesamt drei Stockwerke, bis unters Dachgeschoß. Wir haben das Konzept des gesamten Bürohauses offen, transparent und auf Kommunikation aufgebaut. Letztendlich, und das war mir von Anfang an wichtig, wollten wir ein nach außen weithin sichtbares Zeichen für die neue Baukultur setzen. Das hat sich dann mit der Photovoltaikanlage über 2 Geschoße ergeben.


Entstehen hier Mehrkosten gegenüber einem "normalen" Bürobau?

Was ich aber gerne voranstellen möchte: ich denke, all das ist nicht monetär bewertbar. Man kann Behaglichkeit, Mitarbeiterzufriedenheit und all diese Dinge nicht mit Geld aufwiegen. Es gibt Gebäude, die aufgrund verschiedenster Einflüsse die Menschen krank ma-chen. Wir hingegen erhalten immer wieder das Feedback von Besuchern, spätestens nachdem sie 1 bis 2 Stunden bei uns sind, dass das Raumklima sehr positiv auf sie wirkt. Eine Besucherin beschrieb das mit dem Satz "Es ist wirklich spürbar, dass dieses Gebäude, die Gebäudehülle rund um mich atmet". Man kann es nicht genau erklären, aber es ist einfach so. Und da stellt sich die Frage, kann ich so etwas monetär rechnen? Rein bei den Errichtungskosten würde ich mich darauf zurückziehen, was bei der Passivhaustagung in Krems gesagt worden ist: Dass man mit 7 bis 10 % Mehrkosten für ein Passivhaus rechnen muss. Das ist sicherlich so, einfach wegen der größeren Dämmstärken und der zusätzlichen Haustechnik, die benötigt wird.

 

 

 

 

 


 

 

 

Blick durchs Atrium in Richtung Eingang mit Sicht-Lehmwänden im Innenbereich und Feng Shui Element Klinkerboden und Sicht-Lehmwände im Erdgeschoss


Ziegel kommt in dreierlei Form im Objekt vor. Können Sie uns bitte mehr darüber erzählen.

Für mich war es wichtig, den Baustoff Ziegel auch zu zeigen. Letztendlich ist es die Philosophie des Gebäudes, das man Materialien einfach spür- und erlebbar macht.
Die Problematik aus dem Wohnbau ist, dass wir Ziegelbauten errichten aber nach Fertigstellung dies nicht mehr erkennbar ist, wie auch teilweise hier bei den Außenwänden.
Wir überlegen für unsere Wohnbauten ernsthaft, ob wir in den Stiegenhäusern in Zukunft nicht eine Wand in Sichtziegel errichten, um gleich, wenn ich in das Gebäude komme zu zeigen, dass dies ein Ziegelbau ist - hier ist unsere Fantasie gefragt.
Wir wollten hier schon im Außenbereich den Ziegel präsentieren und haben ihn für eine Art Leitsystem verwendet. Der Ziegel als Bodenklinker ist im Eingangsbereich, im Erdgeschoßbereich im Atrium über den gesamten Bodenbereich präsent und nach oben repräsentieren die Lehmziegel-Wände auch einen Teil der Hausphilosophie.
Ich bin traditioneller Baumeister und bleibe dem Ziegel treu.


Wie sind die ersten Erfahrungen mit den Sicht-Lehmziegelwänden? Wie ist die Rückmeldung der Mieter?

Die unverputzte Lehmwand ist ungewöhnlich und spannend. Im ersten Moment stellen viele Besucher fest, dass wir noch nicht fertig sind. Wenn sie aber länger bei uns sind und man ihnen auch WARUM und WESHALB erklärt, empfinden Sie das Ganze als extrem gut und der Ziegel kommt dabei sehr positiv an. Die Lehmwände bzw. Ziegelflächen werden wahrgenommen und geben durch Struktur und Farbe ein spürbares Erlebnis für die Besucher und Mieter.


Die Projektpartnerliste reicht von Institutionen (z.B. Ökobau Cluster Niederösterreich, Verband Österreichischer Ziegelwerke, Förderprogramm "Haus der Zukunft", …), Bauindustriepartnern (z.B. Wienerberger, …) bis zu den ausführenden Firmen. Wie wichtig war dies für das Projekt?

Das Projekt in der kurzen Zeit in dieser Qualität wäre ohne das tolle Miteinander aller Beteiligten nicht möglich gewesen. Wir sind dabei auch neue Wege gegangen. Wir hatten im Vorfeld immer Workshops mit Planern und ausführenden Firmen.
Das hat sicher sehr wesentlich dazu beigetragen, dass SOL4 in dieser Qualität entstehen konnte. Und ich denke, dass für die Beispielwirkung des Projektes, für die Zeichensetzung jetzt speziell dann auch die institutionellen Partner wichtig sind.
Mittelfristig wird vom Projekt einiges an Impulsen ausgehen.
Vor allem die Total Quality - Zertifizierung durch den Verband Österreichischer Ziegelwerke hat uns hier ganz neue Gedankenansätze gebracht. Durch sinnvolle Umplanungen haben wir bei diesem Projekt Geld gespart und konnten dadurch das benachbarte Grundstück für Parkplatz und als Baulandreserve in einem extrem aufstrebenden Teil Mödlings anschaffen.


Gibt es Nachfolgeprojekte dieser Art?

Ja, es gibt Nachfolgeprojekte. Auf dem Nachbargrundstück, entsteht mit SOL4.2 ein Schwesterprojekt. Die Planungen dafür beginnen demnächst.
Dann sind wir noch an zwei konkreten Projekten dran, eines in Graz, und wir werden es mit großer Wahrscheinlichkeit auch schaffen, nach Bratislava zu gehen. Im Prinzip schwebt uns so etwas wie ein Niederösterreichhaus vor, das Firmen, welche hinübergehen wollen oder schon drüben sind, in einem Haus zusammenfasst. Das Haus ist dann nach den gleichen Kriterien gebaut wie hier.
Außerdem gibt es noch Anfragen von Firmen für neue Bürogebäude in dieser Art.


Der Verband Österreichischer Ziegelwerke dankt für das Gespräch und wünscht Herrn Bmst. Kiessler mit SOL4 und weiteren Projekten viel Erfolg!