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Karla Kowalski und Michael Szyszkowitz: Reale Fantasie

Das Kulturhaus von St. Ulrich im Greith wurde im Jahr 2000 vom Grazer Architektenteam Szyszkowitz-Kowalski gebaut.

 

Karla Kowalski wurde 1941 in Beuthen (Oberschlesien) geboren. Architekturstudium an der TU Darmstadt und an A.A. London. Seit 1974 Architekturbüro in Frankfurt, München, Graz mit M. Szyszkowitz. 1988 - 2003 o.Univ.Prof. an der TU Stuttgart. Seit 1993 Mitglied der Akademie der Künste Berlin.     

 

Michael Szyszkowitz wurde 1944 in Graz geboren. Architekturstudium an der TU Graz, seit 1974 Architekturbüro mit K. Kowalski. 1987 - 1993 Mitbegründer und 1994 - 1999 Präsident des Hauses der Architektur in Graz. Seit 1998 o.Univ.Prof. an der Technischen Universität Braunschweig, seit 2003 Dekan des Fachbereichs Architektur.

 

Interviewpartnerin ist Frau o.Univ.Prof. Arch. DI Karla Kowalski.


Was würden Sie unter Qualität in der Architektur verstehen?

Diese Frage ist im Prinzip nicht zu beantworten. Es ist, wie einen Maler zu fragen – was ist gute Malerei oder einen Musiker zu fragen – was ist gute Musik? Es geht seit Jahrtausenden immer um diese Frage und es ist, so denke ich, die Frage nach dem Inhalt:Wie viel die architektonische Antwort an Inhalt abdeckt oder andeutet, der die Menschen in ihrer Entwicklung weiterführt. Also: Das Suchen eines Inhalts, das Treffen eines Inhalts. Und dann das architektonische Erfindungshandwerk, die Anwendung der architektonischen Sprachlichkeit, d.h., wie man zum Ausdruck findet – also die Kombination von beiden Punkten – wenn man sie ganz grob benennen möchte. Zu dem Wort „Inhalt“ muss man sagen, dass er um Himmelswillen nicht determinierend verstanden werden soll, sondern eher, im Gegenteil, eröffnend.


Wie sehen Sie den Architekturprozess?

Kowalski:Wir versuchen die Menschen, für die etwas gemacht werden soll, in ihren Wünschen zu verstehen. Und zwar sind die Wünsche etwas, was die Menschen, mit denen wir zu tun haben, oft selbst nicht sehr bewusst benennen könnten. Man muss versuchen, die Wünsche aus den Menschen heraus zu verstehen. Manchmal versteht man sie selber nicht ganz genau und: – trotzdem muss man sie beantworten. Diese Wünsche und diese Ziele müssen mit dem Leben von Menschen zu tun haben, sie müssen weiterführen können. Sie müssen praktisch den Rahmen einer zukünftigen Entwicklung in sich tragen und dafür nicht nur Raum geben sondern eine Entwicklung fast katalysatorhaft hervorrufen. Das, zumindest, wäre das Schönste.


Ist Kunst und Architektur ein sinnverwandtes Wort – ein Synonym?

Oft leider nein, aber: Sie können sehr verwandt sein. Architektur kann eine Kunstform sein. Sie kann aber wirklich auch im Trivialen stecken bleiben. Wie auch die Musik. Im besten Zustand ist Architektur natürlich Kunst, und zwar meine ich damit nicht, dass sie eine verkünstelte unbewohnbare Sache ist, sondern dass die Kunst darin liegt, dass man diesen inneren Kern, welchen ich vorhin gesucht habe, auch wirklich trifft. Dass der Ausdruck mit einem Sinn zu tun hat. Mit einem Bild, einem Lebensbild, mit einer Art Beheimatung und Lebensfülle durch das Erschaffen von gültigen „Orten“.


In den weiteren Fragen wollen wir uns dem „Greithhaus“ widmen. Wie hat das Projekt begonnen? Gab es einen Architekturwettbewerb?

Nein, es hat keinen Wettbewerb gegeben. Ich denke, es hat in der Gemeinde einen kulturell sehr interessierten Kreis gegeben und dieser hat sich den Floh ins Ohr gesetzt, für die ganze Gegend – es ist ja die ganze Gegend betroffen – ein Kulturhaus zu errichten. Und sie wollten – und das möchten wir ihnen persönlich haushoch anrechnen, denn es war ja ein gewisses Wagnis – mit uns arbeiten. Wir haben uns sehr viel Mühe gegeben, das muss man schon sagen, und die Gemeinde hat sehr viel geleistet.


Welche Vorstellungen gab es seitens der Gemeinde?

Sie hat uns merkwürdiger- und glücklicherweise freie Hand gelassen, was die architektonische Ausformung anbelangt. Man hat uns schon genau gesagt, was man wollte, wie z.B. die Stimmung sein könnte, wie viele Leute hineinpassen müssen, an wie viel Geld gedacht war, was man alles darin machen will. Es sollten Lesungen, Theaterspiele, Musik – und davon mehrere Sorten – und Kunstausstellungen abgedeckt werden können. Es sollte auch dafür gesorgt werden, dass sich wenige Menschen darin wohl fühlen als auch viele Menschen – wieder ein Kunststück, denn normalerweise kommt man sich ja als kleine Gruppe in einem kaum besetzten leeren Auditorium nicht gut vor. Sie merken schon, dass das abstraktere Forderungen und keine formalen Vorschläge sind. Ich bin jetzt immer noch überrascht über die Großzügigkeit, mit der man uns vertraut hat. Eine solche Haltung spornte uns natürlich als Architekten an.


Wie kommt man zu der Idee, die vier massiven Eckpfeiler mit Dachziegeln zu verkleiden?

Massive Eckpfeiler haben nicht wir im 20. Jahrhundert erfunden. Das ist ein uraltes Thema – vier massive Eckpfeiler. Selbst, dass sie etwas krumm sind ist nicht neu – wir brauchen nur etwas in der Geschichte zu schauen. In den Städten, im Fortifikationsbau gibt es dicke starke Ecken, die sich etwas biegen. Es ist übrigens auch eine Bauform, die im Steirischen tatsächlich beheimatet ist, wenn Sie an die Stadel denken, die starke, gemauerte Ecken und dazwischen Holzfüllungen haben. Betonte Ecken – man kann das auch sinnbildlich sehen – haben einen Ausdruck, abgesehen von der Statik. Bei unserem Projekt haben wir die gemauerten Pfeiler mit etwas verkleidet, was nicht kaputt geht – mit den glasierten Ziegeln.


Was fällt ihnen beim Stichwort „Tondach“ ein?

Dass die Vertreter von Tondach Gleinstätten sehr gut mit uns zusammengearbeitet haben und dass sie sehr viel können. Sie bieten natürlich nicht alles an, nicht in den Standardprogrammen. Das Maß der Ziegel zum Beispiel wurde extra für uns gemacht. Die Eckkante war zudem kompliziert. Am Computer haben wir eine Reihe von Eckziegeln berechnet – von denen immer ein Format pro Reihe genau gepasst hat. Die Glasurfarbe „Achatgrau“ wurde extra für uns gesucht. Wir haben sehr viele Farben probiert und es wurde bereitwillig und großzügig mitgearbeitet. Das muss man hoch anrechnen. Auch für die Fußböden zum Beispiel wurde ein leichtrosafarbenes Material gesucht. Wir wollten nicht den dunkelroten Klinkerboden. Andererseits sollte es ein Tonmaterial sein. Also kurz: Eine erstklassige Zusammenarbeit – auch hier.


Wie sehr werden Sie durch die Landschaft in Ihrer Architektursprache beeinflusst?

Ich glaube, wir werden durch alles beeinflusst, was es gibt. Wir sind Architekten, die unbedingt auf das schauen, was in der Welt vorhanden ist. Und das ist nicht nur im Jahr 2004 ein Ort, der St. Ulrich im Greith heißt, sondern das ist die ganze Welt.
Wir sind auch geschichtlich einigermaßen vorbelastet. Wenn wir reisen, schauen wir unentwegt Dinge an. Wir wären ja dumm, wenn wir das nicht als Entwurfskapital in Anspruch nähmen – nicht als direkte Übernahme sondern als Kraft. In Gegenden, wo die Landschaft eine sehr große Rolle spielt – wie es in ländlichen Gemeinden ja schon der Name sagt, beeinflusst natürlich die Landschaft. Der Ort des Geschehens eröffnet ja oft von sich aus Hinweise oder Vorteile, die z.B. aus der Modulation des Geländes kommen. Das haben wir auch beim Greithhaus ausgenutzt. Man geht eben von der Ortsstraße hinein und die Menschen erscheinen dann oben, hinunterblickend, als „Kaiser von China“. Sie sehen den gesamten Saal in Stufen abfallend vor sich – ein fabelhaftes Gefühl.


Was muss ein Kunsthaus haben und können?

Es soll von sich etwas ausdrücken, das über den täglichen, engen Trivialkram hinweg weist. Wie bei den gotischen Kirchen – um ein ganz großes Beispiel zu beschwören. Wenn man in einen solchen Raum kommt, ist eine halbe Stunde so erlösend, weil diese unerhört beeindruckenden Räume auch uns Nachkommen mit einem großen geistigen Umfang versorgen. Und irgend so etwas Ähnliches, auch wenn es nur ein kleines Kulturhaus in der Steiermark ist, irgend so etwas, glaube ich, muss auch ein Kulturhaus haben. Ohne damit sagen zu wollen, dass es einen religiösen Touch hat, muss es etwas von einem offenen Geist anbieten. Und damit hat es auch wieder mit dem Wort Kunst zu tun. Denn auch dafür wäre die Kunst ja da.

 

Der Verband Österreichischer Ziegelwerke dankt für das interessante Gespräch und wünscht Frau Prof. Kowalski weiterhin viele spannende Projekte dieser Art!