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Bild des Architekten

Laurids Ortner: Kunst außen – Kunst innen?

Architekt Prof. Dipl.-Ing. Laurids Ortner war nach seinem Architekturstudium an der TU Wien Mitbegründer der Architekten- und Künstlergruppe Haus-Rucker-Co in Wien. Das war 1967. Nach neun Jahren Professur an der Universität für künstlerische und Industrielle Gestaltung in Linz ist er seit 1987 Professor für Baukunst an der Staatlichen Kunstakademie in Düsseldorf. Seit 2001 ist er Mitglied der Architektenkammer Berlin.

Gemeinsam mit seinem Bruder Arch. Prof. Mag. Manfred Ortner führt er das Atelier Ortner & Ortner Baukunst mit Standort Wien und Berlin.

 


In dem folgenden Gespräch geht es besonders um das Museumsquartier (kurz: MQ) Wien – nach Eigendefinition des Museumsquartiers ein „Stadtbiotop der Künste“.

 

 

 

Wie würden Sie den Lesern das Projekt Museumsquartier (kurz: MQ) Wien aus Ihrer Sichtweise näher bringen?

Das Museumsquartier ist eines der zehn größten Kulturzentren der Welt und hat die Besonderheit, dass es zugleich einer der zentralsten Museumsbezirke – bezogen auf die Lage zum historisch gewachsenen Stadtkern – ist. Das Museumsquartier umfasst verschiedene Einrichtungen der Gegenwartskunst – 2 große Museen, 1 Kunsthalle, 2 Hallen für Theater-und Tanzveranstaltungen, ein Kindermuseum, ein Theaterhaus für junges Publikum, ein Architekturzentrum und andere Kulturinstitutionen, die gemeinsam aktiv an einem neuen Begriff zeitgemäßer Kultur arbeiten.

Zu den drei Neubauten im revitalisierten Ensemble der Barocken Hofstallungen mitten im Stadtzentrum von Wien:
was unterscheidet die Kunsthalle Wien von den zwei anderen Neubauten – dem Leopold Museum und dem MUMOK Museum moderne Kunst Stiftung Ludwig Wien?

Der Unterschied ist einmal rein inhaltlich. Die Kunsthalle hat andere Aufgaben als die beiden Museen. Die Museen sind letztlich auf Sammlung orientiert, die Kunsthalle ist ein Instrument der Auseinandersetzung, ein Instrument der Vermittlung. Kunst und zeitgemäße Kultur wird hier erst neu definiert.
Unterschiede gibt es aber auch von der Architektur. Während die beiden Museen als freistehende eigenständige Körper konzipiert sind, ist die Kunsthalle gemeinsam mit der existierenden historischen Winterreithalle zu einem gemeinsamen Baukörper geworden.
Hier wird exemplarisch vorgeführt, wie sich neu Gebautes mit alter Bausubstanz zu einer neuen zeitgemäßen Einheit verbindet.


Seit dem Bau der kaiserlichen Hofstallungen unter Kaiser Karl VI. durch Johann Bernhard Fischer von Erlach im Jahr 1724 und der Eröffnung des MQ im Jahr 2001 liegen fast 300 Jahre. Davon nimmt die Diskussionsphase (ab 1980) bis zum Baubeginn im April 1998 eine lange Zeit ein. War der Weg bis zur jetzigen Realisierung des Museumsquartiers Wien ein steiniger Weg?

Es war auf jeden Fall ein spannender Weg. Diese Wege sehen von außen gesehen immer unendlich lang aus, tatsächlich hat es auch beim Kaiserforum fast 20 Jahre gedauert, bis dann schließlich das Kunsthistorische Museum und das Naturhistorische Museum von Semper errichtet wurde.
Nicht nur in Wien, auch in anderen Metropolen benötigen Projekte dieser Größenordnung und dieser Wichtigkeit einen langen Diskussionsbedarf. Hier war das durch einen massiven Mediendruck etwas verschärfter.

 

 

 

 

Die Oberflächen der drei wesentlichsten neuen Museumsbauten im MQ Wien bestehen aus Basaltlava (Deutschland, Eiffel) beim Museum moderner Kunst Stiftung Ludwig Wien, beim Leopoldmuseum ist dies Vraza Kalk (Donaumuschelkalk aus Bulgarien) und es sind Klinkerziegel (Österreich) bei der Kunsthalle Wien. Wie kam dieser massive Mix zustande?

Es war von Anfang an die Überlegung, jedem dieser drei Häuser eine eigene Identität zu geben, also auch von außen, durch die Materialien.
Die beiden Museen sind mit einem repräsentativen Stein ausgestattet. Die Kunsthalle sollte nach außen den lebendigen Charakter eines Umschlagplatzes vermitteln,
sie sollte etwas von einer Werkhalle oder einer Markthalle ausstrahlen. Substanz, die vielleicht eines Tages im Museum landet, wird hier erst erarbeitet und Interessierten nahe gebracht.


Welche Erfahrung bezüglich der Realisierung und der Kosten gab es bei den drei unterschiedlichen Neubauten – vor allem im Hinblick auf die Fassade?

Für uns war wichtig, dass diese drei Materialien drei verschiedene Häuser repräsentieren sollen. Unter dem Strich haben sich die Kosten für die drei Fassaden die Waage gehalten.


In einem Interview mit dem Berliner Architekten Kollhoff meinte er zur Frage warum er viel Klinker in seinen Bauten einsetzt:
„Als Kriterium für unsere Architektur, gerade auch am Potsdamer Platz, sehen wir die europäische Stadt, das Wesen der europäischen Stadt, das auf Dauer, auf einer gewissen Permanenz der Bausubstanz beruht. In den Häusern einer Stadt haben Generationen von Bewohnern Spuren hinterlassen, manifestiert sich so die Geschichte dieser Stadt, physisch erlebbar. Wenn Gebäude jedoch bereits nach einer Generation - manchmal sogar früher - abgerissen werden, kann sich städtische Geschichte nicht länger baulich vermitteln. Die Vorstellung, dass gigantische Metropolen in Asien oder Südamerika heute gar keine Zeit haben, hinreichend dauerhafte Bausubstanz zu hinterlassen, die erst eine bauliche Tradition ermöglichen würde, diese Vorstellung ist schon beängstigend.“ Wie ist Ihre Meinung dazu?

Wir sehen es ähnlich wie unser Freund Hans Kollhoff. Architektur kann besser als andere Medien Zeit speichern. In diesen Zeiten einer rasanten Entwicklung hat sie die Möglichkeit, Verzögerung im kulturellen Durchfluss zu bewirken, die Geschichte unserer Zeit zu absorbieren und sie in feiner Energieform wieder abzugeben.


Welchen Stellenwert hat der – unter einem Putz nicht sichtbare – Ziegel als Wandbaustoff in Ihrer Architektur?

 

 

Der Ziegel ist eines der besten Baumaterialien. Seine Qualitäten haben ihn die Jahrhunderte überdauern lassen, im physischen wie im ideologischen.
Die Kultur des verputzten Mauerwerks erweist sich heute als unersetzlich. Und moderne Architekten sind dabei, traditionelle Methoden wegen ihrer bauphysikalischen Qualität und Dauerhaftigkeit wieder zu entdecken.


Wie sieht das mit dem sichtbaren Klinkerziegel aus?

Der sichtbare Klinkerziegel ist ein wertvolles Fassadenmaterial. Er liefert eine besonders kleinteilige Maßstäblichkeit und kann damit auch ganz spezielle visuelle Qualitäten liefern.


Worin sehen Sie die Stärken des Baumaterials Ziegel? Worin seine Zukunft?

Die Qualität des Materials Ziegel und speziell des Klinkers als Fassadenmaterial besteht darin, dass man ein gediegenes Erscheinungsbild schaffen kann, das Vertrautheit und Bekanntheit vermittelt.
Bei der Kunsthalle war wichtig für uns, dass der kleinteilige Ziegel über die gesamte äußere Haut der Kunsthalle – auch der Dachfläche – gezogen wird. Das große Gebilde der Kunsthalle, das weder Fenster hat noch sonst durch Bauteile auf seinen Maßstab schließen lässt, wird durch die Maßstäblichkeit des Ziegels erfassbar. Ihre fremde Sperrigkeit als Form wird in bekannte Muster übergeleitet. Fremdes und Vertrautes mischen sich suggestiv.


Seit 1987 sind Sie Professor für Baukunst an der Staatlichen Kunstakademie in Düsseldorf.
Gibt es wesentliche Unterschiede in der Österreichischen und Deutschen Architektur?

Es gibt wesentliche Unterschiede. In Österreich ist man fast ausschließlich auf die formale, spektakuläre Lösung fixiert, während in Deutschland politisch bedingt eine andere Auseinandersetzung mit der Geschichte vor sich geht.
Aus der Sicht des internationalen 'Avantgard' Zirkus, der die dauernde Neuerfindung von Formen als innovativ ausgibt und dafür wichtige Fachzeitschriften als Sprachrohr im Griff hat, steht Deutsche Architektur als bieder und langweilig da. Aber gerade weil sie sich als einzige diesem Diktat des Erfindenmüssens mit all seinen akademischen Scheinproblemen hartnäckig entzogen hat, gewinnt ihre Haltung an Gewicht, je rascher sich diese Erfindungsspirale drehen muss, um Neues zu produzieren. Die Qualitätsstandards für gute Architektur entstehen in Deutschland, auch wenn man das vielerorts noch nicht wahrhaben will. Die Automobilbranche mit der herausragenden Qualität deutscher Produkte kann hier durchaus als Beispiel für die künftige Entwicklung herangezogen werden.

Gibt es in der Architektur so etwas wie eine Mode oder vielleicht besser gesagt Strömungen?

Im letzten Jahrhundert gab es eine zunehmend hektischere Suche nach neuen Ausdrucksformen. Es ist dabei zur Schule geworden, unter dem Vorwand der Originalität und Innovation immer wieder bei Null zu beginnen. Diese permante Neuerfinderei hat sich selbst zerschlissen, weil sie weder technisch noch intellektuell Neues liefern konnte. Für viele - vorallem in Deutschland - gilt das Normale wieder als erstes Kriterium für gute Qualität und Kontinuität als Vorgangsweise, mit der sie sich verfeinern lässt.

Gibt es so etwas wie ein Kernanliegen für einen Architekten?

Ja. Über den Tag hinaus mit dem Bauwerk eine längerfristige Gültigkeit zu erreichen. Das zählt zur wesentlichen Aufgabe der Architektur. Wir haben es nur für einige Zeit vergessen.

Der Verband Österreichischer Ziegelwerke dankt für das interessante Gespräch und wünscht Herrn Arch. Prof. Laurids Ortner weiterhin viel Erfolg!