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Carlo Baumschlager und Dietmar Eberle: Architektur und Vorarlberg

Das Büro Baumschlager – Eberle ist bekannt für seine moderne,anspruchsvoll gestaltete Architektur und energiesparende Konzepte im Wohnungsbau. Carlo Baumschlager studierte an der Hochschule für angewandte Kunst in Wien (Industrie-Design – Prof. Hans Hollein, Architektur – Prof.Wilhelm Holzbauer, Prof.Oswald M. Ungers). Lehrtätigkeit an der Syracuse University in New York und FH Stuttgart. Dietmar Eberle studierte an der Technischen UniversitätWien. Lehrtätigkeit an der TU Hannover, TU Wien, Hochschule für künstlerische und industrielle Gestaltung in Linz, ETH Zürich und Syracuse University in New York, TU Darmstadt, seit 1999 Professur für Architektur und Entwerfen an der ETH Zürich und Leiter des ETH Wohnforums. 1985 wurde die Arbeitsgemeinschaft und Büro Baumschlager – Eberle gegründet. Beide sind seit 2004 Ehrenmitglied in „The American Institute of Architects“. Die in den folgenden Bildern dargestellte Wohnanlage (Bauträger:Schertler-Alge GmbH,Lauterach) in Dornbirner Villengegend wurde durch das Architekturbüro Baumschlager – Eberle GmbH in Lochau geplant.

 

Der Verband Österreichischer Ziegelwerke führte mit Herrn Mag. Arch. Carlo Baumschlager das folgende Gespräch.


Worin sehen Sie die Stärken Ihrer Architektengemeinschaft?

Ich glaube, dass sich unser Büro schon sehr lange mit einer Position in der Architektur beschäftigt, die wie folgt lautet:Wir sind Dienstleister, die eine Aufgabenstellung des Bauherrn in seinem Sinne möglichst optimal abarbeiten wollen. Was wir dazu liefern, das sind unsere Ideen zur Architektur, zu der bestimmten Aufgabe, aber zuerst sehen wir es
einmal als unsere Pflicht an, das abzuarbeiten, was uns der Bauherr in den Diskussionen und in den Gesprächen vorab mit auf den Weg gibt.


Stimmt es, dass Sie in früherer Zeit auch Selbstbaugruppen betreut haben?

Ja, das stimmt. Wir sind nach dem Studium nach Vorarlberg gekommen, haben jeder selber für sich angefangen, aber dann doch sehr schnell das Büro gegründet. Die Zeit der Selbstbaugruppen war zu Beginn der 80-er Jahre. Da gibt es etliches von Einfamilienhäusern und verdichtetem Flachbau aus dieser Zeit. Das war eben der Start – suchen einer Marktlücke: Leute mit wenig Geld aber auch Leute mit einem Grundstück, welche über Eigenleistung den ökonomischen Nachteil kompensieren mussten. Auch mit unserer Mithilfe, wir haben sehr viel zu dem Zeitpunkt am Bau gearbeitet. Wir haben das mit den Leuten miterrichtet und das war für uns eine sehr wichtige Zeit, weil wir da sehr viel gelernt haben. Einerseits über die ökonomischen Zusammenhänge am Bau, andererseits natürlich auch über die technischen Möglichkeiten – was ist machbar, was ist leistbar und was nicht.

In Wirklichkeit schöpfen wir immer noch aus den Ideen dieser Zeit, zwar nicht auf einer formalen Ebene, aber die Basis für all die pragmatischen Überlegungen kommt aus dieser Zeit.


Muss ein Gebäude Ihrer Meinung nach langlebig sein?

Foto Eduard Hueber - archphoto
 

Das kommt ganz darauf an. Ein Gebäude besteht aus mehreren Dingen und diese Dinge haben unterschiedliche Langlebigkeit. Die Fassade, die Struktur, die Haut muss meiner Meinung nach sehr langlebig sein. Das hat eine Halbwertszeit von 100 Jahren, um einmal eine Zahl zu nennen. Das kann natürlich mehr sein, das kann weniger sein. Im Wesentlichen trifft dies aber zu. Die Haustechnik, all die technischen Komponenten haben schon eine wesentlich kürzere Lebensdauer, die halten vielleicht 20 Jahre, dann muss hier erneuert werden. Es gibt dann
die Elemente des Ausbaus. Das, was am schnellsten getauscht wird, sind die Möbel. Also es gibt eine Hierarchie von Langlebigkeit in einem Gebäude und je privater dies wird, so kann man es vielleicht nennen, je persönlicher die Werte angelegt sind, umso kurzlebiger sind die Dinge.

Die äußere Haut unterliegt der Wertvorstellung der Öffentlichkeit und deshalb hat man hier auch die Verantwortung, sich so zu verhalten, dass das, was in architektonischer Sicht geliefert wird, eine langfristige Gültigkeit hat.


In der Baubranche gibt es Meinungen, ein Haus muss nur für 30 Jahre halten.

Ja wissen Sie, so eine Philosophie haben wir vielleicht zu Beginn unserer Arbeit auch vertreten. Jetzt sieht man einfach, dass unsere Gesellschaft sich sehr nachlässig gegenüber ihren Ressourcen verhält und das ist nicht nur auf der Ebene Heizkostenverbrauch, Benzinverbrauch usw. Es hat auch damit zu tun, wie viele Ressourcen verbrauche ich für das Bauen. Wenn man sich anschaut, wie viele Ressourcen das Bauen überhaupt verbraucht, von den Gesamtressourcen, welche zur Verfügung stehen, dann sind das über 60 Prozent. Ich kann mit diesen 60 Prozent nicht so nachlässig umgehen, dass ich nach 30 Jahren sage:Jetzt werfe ich das einfach weg.


Worin sehen Sie die Hauptkriterien für ein „nachhaltiges“ Gebäude?

Foto Eduard Hueber - archphoto
 

Diese Frage hatmit den vorherigen Fragen viel zu tun. Die Nachhaltigkeit besteht aus meiner Sicht aus zwei wesentlichen Gewichten. Das eine ist eben die Nachhaltigkeit der äußeren Haut und der Struktur, diese muss für einen sehr langen Zeitraum gültig sein, im Grunde solange das Gebäude bestehen bleibt. Und das zweite Thema bei der Nachhaltigkeit ist eine
möglichst hohe Flexibilität des Inneren. Ich rede hier nicht von Einfamilienhäusern, ich rede hier von großen Gebäuden und da muss man einfach davon ausgehen, dass in einem 10-Jahresrhythmus die Vorstellungen zum Wohnen, zum Arbeiten, zu Bürolandschaften etc. sich verändern können. Wenn man 10 Jahre zurückblickt, dann sieht man, dass man völlig andere Voraussetzungen hatte zu planen und wenn man das sehr stark auf die Aufgabe hin reduziert hat – in jeder Ebene – dann sind das genau die Gebäude, welche nicht mehr brauchbar sind. Diese Nachhaltigkeit hängt sehr stark davon ab:Wie hoch ist das Maß an Flexibilität in einem Gebäude? Wie lange kann ich es unterschiedlichen Nutzungsformen
anpassen?


Ich habe schon mehrere Klinkerbauten von Baumschlager – Eberle gesehen. Verwenden Sie das Material gerne?

 

Foto Eduard Hueber - archphoto
 

Die Qualität des Materials und die Anforderung der Aufgabe entscheiden schlussendlich welches Material ich nehme, welches Material ich mir leisten kann, d.h. welches leistbare Material die Anforderung am besten erfüllt. Sie wissen, wir haben schon sehr viel mit Klinkermauerwerk gebaut, obwohl das nicht die typische Art und Weise ist bei uns zu bauen. Durch die Qualität dieser äußeren Haut und ihre Art des Alterns erfüllt sie viele Kriterien, die dazu führen, dass man sich dafür entscheiden kann. Es kommt dann natürlich immer noch die Frage der ökonomischen Rahmenbedingungen zum Tragen. Für uns ist speziell die Klinkerfassade ein Thema, das wir ständig bearbeiten. Das ist in den letzten 10 Jahren immer deutlicher geworden, das dies ein Thema ist, das einerseits auf eine hohe Akzeptanz beim Entwickler, beim Verkäufer und beim Nutzer stößt.


Nehmen wir das Beispiel der Wohnanlage Rosenstraße in Dornbirn. Ist dieser Bau typisch für Ihre Architekturphilosophie?

 

Foto Eduard Hueber - archphoto
 

Ich denke, dieser Bau ist sehr typisch für unsere Architekturphilosophie, er ist aber auch sehr typisch für die Fragestellungen, welche man heutzutage vorfindet. Vorarlberg ist ein Bundesland, welches in vielen Dingen eine Vorreiterrolle spielt, weil es sehr klein ist, weil es sehr dicht verbaut ist und weil es eine sehr pragmatische Haltung zur Frage des Bauens und der Architektur gibt. Es ist ein nachgenutztes Grundstück, einen Teil des Bestandes hat man stehen lassen, das Grundstück ist nachverdichtet. Man schöpft aus allen Ressourcen, welche das Umfeld bietet. Da gibt es einen Nachbarpark, der dazu führt, dass man auf dem eigenen Grundstück dichter bauen kann. Es gibt eine Menge an solchen Überlegungen, die mit Dichte zu tun haben, die mit Urbanität zu tun haben. Das Projekt liegt in einem kleinen Kernbereich, der vielleicht nicht Stadt ist, aber doch städtische Strukturen hat und in das gesamte Gefüge eingepasst ist. Ich glaube, dieses Gebäude reagiert sehr präzis und sehr sensibel auf dieses Umfeld, auf Abstände, auf Distanzen usw. Und dann eben auch die Wertigkeit, die diese Villen in ihrem Erscheinungsbild transportieren. Das war sicher mit ein Grund, warum man diese Außenhaut gewählt hat, nebst dem, dass durch die Adresse das Grundstück zuerst einmal schon teuer war und wenn
man ein teures Grundstück hat, muss man mit sehr noblen Materialien reagieren. Denn erst im Zusammenrechnen zwischen Grundstück und Gebäude erreicht man diese Kundschaft, welche sich das leisten kann. Die Realität zeigt, dass unser Konzept für den Bauherrn aufgegangen ist.

Der Verband Österreichischer Ziegelwerke wünscht viel Erfolg im weiteren Architekturschaffen und dankt für das interessante Interview!