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Arno Ritter: Eladio Dieste. Baukunst mit Ziegel

Auf der Homepage des Architekturforum Tirol (www.architekturforum-tirol.at) ist folgende Selbstdarstellung zu lesen:
„Primär muss es nicht um eine formale, sondern um eine inhaltliche Diskussion gehen, daraus ergaben sich für die programmatische wie konzeptuelle Ausrichtung des Architekturforum Tirol verschiedene Strategien, die zusammengenommen zwei wesentliche Ziele verfolgen: einerseits den Dialog zwischen den Fachleuten zu fördern, andererseits mit der Bevölkerung, der Wirtschaft wie der Politik in Beziehung zu treten, um einen Bewusstseinsprozess in Gang zu setzen, wonach die intelligente wie qualitative Gestaltung von Umwelt eine wichtige Investition in die Zukunft ist.“

Dieses Interview wird mit Herrn Arno Ritter, dem Leiter des Architekturforum Tirol, zu einer Ausstellung über Eladio Dieste (1917 – 2000) geführt.

 

 



In der Selbstdarstellung ist schon einiges über das Architekturforum herauszulesen. Was sollte der Leser dieser Zeilen noch über das Architekturforum Tirol wissen?

Das Ziel des Architekturforum ist es, ein schwellenloses Wohnzimmer für Interessierte zu sein. In diesem Sinne kann als ein zentrales Moment des Forum das Reden, Kommunizieren, Austauschen, Vermitteln, Reflektieren und Betrachten angesehen werden. Wir versuchen mit verschiedenen Veranstaltungen diesen Prozess auszulösen bzw. zu unterstützen. So zum Beispiel durch Ausstellungen mit nationalen und internationalen ArchitektInnen oder mit historischen Bezügen, mit Wettbewerbsausstellungen, Werkstattgesprächen in aktuellen Bauwerken, Vorträgen, Lesungen und Diskussionen, Publikationen und auch mit Filmreihen.
Gleichzeitig wollen wir den eng gefassten Fachbereich der Architektur in Richtung Literatur, Philosophie, Kunst usw. ausbauen, um einerseits die Diskussion innerhalb der Architektur zu erweitern und andererseits neue Publikumsschichten anzusprechen.


Vom 13.6.2002 bis zum 19.7.2002 gab es in den Räumen des Architekturforum Tirol eine Ausstellung mit dem Titel „Eladio Dieste 1917 – 2000“. Wer war Eladio Dieste?

Eladio Dieste wurde 1917 in Uruguay, geboren, studierte Bauingenieurwesen in Montevideo, war Professor für Theoretische Mechanik und Konstruktionslehre in Montevideo und beschäftigte sich theoretisch wie praktisch vor allem mit bewehrten Ziegelschalenkonstruktion. Er starb im Jahr 2000 in Montevideo, Uruguay.
Nach dieser Kurzbiographie, ein Zitat von Dieste, das meiner Meinung nach die Grundphilosophie seiner Tätigkeit und Arbeit auf den Punkt bringt.

„Die Physik misst die Dinge. Aber man erfasst die Dinge nicht wenn man sie misst. Dafür braucht man die Kunst: durch Intuition kann man das Wesen der Dinge erfassen.“

Das Besondere an Dieste war, dass er als Bauingenieur das Material erforschte, auf Basis dessen Konstruktionen optimierte und daraus immer atmosphärische Räume und faszinierende Bauwerke gestaltete.


Eladio Dieste ist ein Südamerikanischer Bauingenieur, wie kam es zu dieser Ausstellung in Innsbruck?

Die Ausstellung wurde in Spanien konzipiert und in München erstmals im deutschsprachigen Raum gezeigt. Eigentlich waren drei wesentliche Punkte für die Wahl der Ausstellung ausschlaggebend.
Einerseits sind seine Person wie auch seine Arbeiten in Österreich weitgehend unbekannt, andererseits spricht das Thema der Ausstellung nicht nur Bauingenieure sondern auch Architekten und Laien an, und zu guter Letzt haben die Bauten von Dieste jenseits von Trends und Moden einen zeitlosen Wert. In gewissem Sinne sollte diese Ausstellung eine Intervention wider den Zeitgeist sein und damit unser Konzept, antizyklische Ausstellungsthemen zu forcieren, fortführen.


Wie würden Sie die Bauwerke von Eladio Dieste aus Ihrer Sicht beschreiben?

Es sind herausragende Bauwerke, bei denen die Gestaltung, die Konstruktion und die technische Lösung kunstvoll optimiert sind. Bis zu einem gewissen Grad revolutionierte er den Ziegelbau, weil er die architektonischen und die konstruktiven Möglichkeiten des Materials für die damaligen Verhältnisse, wie vielleicht auch für die heutige Zeit, auslotete und unglaubliche Bauten realisierte.


Was war das Anliegen von Eladio Dieste in seiner Architektur?

Es sind nicht nur ästhetische Vorstellungen oder raumklimatische Gründe, die zum Gebrauch des Ziegels führten, nach Dieste sind es vor allem ökonomische Gründe.
In seiner Forschung hat er sich intensiv mit den verschiedenen Baumaterialien auseinandergesetzt. Er erkannte, dass die aus Europa und den USA eingeführten Bautechnologien nur bedingt in seinem Land angewendet werden können. Er widmete sich darum verstärkt dem Ziegelbau, weil in Südamerika eine lange Tradition sowohl in der Herstellung als auch in der Verarbeitung bestand.
Bei weit gespannten Hallenüberdachungen setzt er den Ziegel ganz besonders gerne ein; denn seine raffiniert gestaltete Ziegelschale ruht in sich selbst. Auf den Schalungen lassen sich die Ziegel rasch verlegen, die Fugen werden vermörtelt, die Eisen verlegt, und in der Mörtelschicht zwischen unterer und oberer Ziegelschale ist die Bewehrung gut geschützt. Durch den hohen Anteil formbeständiger Materialien kann die Schalung früh entfernt werden. Der dadurch entstehende Druck verfestigt die gesamte Konstruktion zusätzlich.


Können Sie sich vorstellen, dass die Architektur von Eladio Dieste einen Einfluss auf die Architektur in Europa und im Speziellen auf Österreich haben kann?

Es wäre zu wünschen, wenn die Bauten und die Forschung von Dieste Einfluss auf die Verwendung von Ziegel in Europa ausüben würden. Wobei zu bedenken ist, dass die klimatischen, ökonomischen und baurechtlichen Rahmenbedingungen in Europa neue Forschungen und viel Mut im praktischen Einsatz erforderlich machen.
Ein erster Ansatz für Österreich kam vom Verband Österreichischer Ziegelwerke. Bei einem Workshop, im Rahmen dieser Ausstellung, wurde mit namhaften Experten aus dem Bereich Architektur, dem Bereich Statik und verschiedenen Bauträgern die Frage einer Umsetzung in Österreich erörtert.


Welche Resonanz gab es auf die Ausstellung von Eladio Dieste in Ihren Räumen?

Es war eine sehr gut besuchte Ausstellung. Das Medienecho wuchs zum Ende der Ausstellung hin an und erreichte danach erst einen Höhepunkt. Es erscheinen noch jetzt in diesem Zusammenhang Artikel über Eladio Dieste. Interessanterweise gab es nicht nur aus Österreich Resonanzen und Anfragen, sondern aus dem gesamten deutschsprachigen Raum.
Dies war eine Ausstellung, die bei den meisten Besuchern Begeisterung hervorgerufen, aber auch viele Fragen aufgeworfen hat. Eine der häufigsten Fragen war: „Wie funktioniert das?“


Viel Erfolg für das Architekturforum Tirol und herzlichen Dank für dieses Interview!