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Hanns Peter Köck: Ökologisches und ökonomisches Gesamtkonzept bei Ziegelbauten

Herr Architekt Dipl.-Ing. Dir. Hanns Peter Köck war nach dem Architekturstudium an der TU München 8 Jahre Mitarbeiter und Assistent von Univ. Prof. Werner Eichberg in München. Neben der Arbeit im seinem Architekturbüro in Saalfelden ist er auch Direktor an der HTL Saalfelden, Vorstandmitglied des Salzburger Institutes für Raumordnung und Wohnen (SIR), Gestaltungsbeirat-Vorsitzender der Stadtgemeinde Zell am See, Mitglied der Gestaltungsbeiräte Bischofshofen und Vöcklabruck sowie Gründungsmitglied und erster Sprecher der „Initiative Pinzgauer Architekten und Ingenieurkonsulenten“. Arbeitsschwerpunkte sind: Entwicklung und Evaluierung zeitgemäßer Formen einer praxisorientierten Technikerausbildung. Sozialer und privater Wohnbau, örtliche Raumplanung, Dorf- und Stadterneuerung und Sachverständigendienst in Raumordnungsfragen.

 

Nachfolgendes Interview wurde vom Verband Österreichischer Ziegelwerke mit Herrn Architekt KÖCK geführt.


Sie sind im Jahr 1993 als Sieger aus dem Architektenwettbewerb für den Modellwohnbau Radstadt – ein mit 50 Wohneinheiten kein kleines Bauvorhaben – hervorgegangen. Im Rahmen der Projektabwicklung wurde als ein völlig neuer Weg im sozialen Wohnbau eine Studie über ein „ökologisches und ökonomisches Gesamtkonzept“ erstellt. Erzählen Sie uns bitte darüber.

Das „ökologische und ökonomische Gesamtkonzept“ wurde in enger Kooperation zwischen der Arge-Energieplanung in Wien, der Gemeinnützigen Salzburger Wohnbaugesellschaft (GSWB) als Bauherr, dem Salzburger Institut für Raumordnung und Wohnen (SIR) als Projektbetreuer und dem planenden Architekten erarbeitet.
Das Konzept sollte unter Berücksichtigung allgemein anerkannter ökologischer und ökonomischer Kriterien Entscheidungsgrundlagen liefern für die Wahl des Konstruktionssystems und der Baustoffe sowie für die zweckmäßigste Art der Energieversorgung der Wohnanlage.


Was wurde in der Zusammenarbeit zwischen Ihnen und der ARGE-Energie genau untersucht?

In der „ökologischen Analyse“ wurden zunächst 10 für das Bauvorhaben prinzipiell mögliche Konstruktions- und Baustoffvarianten jeweils in Kombination mit unterschiedlichen Heizsystemen (Öl, Gas, Hackschnitzel, Solarenergie) in Bezug auf wichtige Umwelteinwirkungen, wie z.B. Primärenergieverbrauch, Treibhauseffekt und Bodenversauerung untersucht und einander gegenübergestellt.

In der „ökonomischen Analyse“ wurden die Lebensdauerkosten, das sind die Kosten der Baustoffe, der Errichtung, der Energieversorgung, der Instandhaltung, des Abbruches und der Entsorgung für die 10 Varianten ermittelt und in 2 Szenarien mit einander verglichen. Szenario 1: Energiekosten bleiben auf Lebensdauer der Anlage (80 Jahre) etwa gleich. Szenario 2: Energiekosten steigen in Zukunft stärker an.


Welches Ergebnis brachten diese Analysen, Szenarien und Vergleiche?

In der ökologischen Bilanz lag – für mich unerwartet – die Variante „2-schalige Ziegelbauweise“ in Verbindung Fernwärme – Nahverbund (Hackschnitzel) zusammen mit 2 untersuchten Holzleichtbau-Varianten an vorderster Stelle.

Noch überraschender war das Ergebnis der ökonomischen Analyse: Im (realistischeren) Szenario 2 („Energiekosten werden weiter steigen“) stellte sich das 2-schalige Ziegelmauerwerk – nach den Holzleichtbau-Varianten als das zweitgünstige System in Bezug auf die Lebensdauerkosten der Wohnanlage heraus.

Vom Projektteam bestehend aus GSWB, SIR, Gemeinde, Arge-Energie, Sonderplaner und Architekt, das das Bauvorhaben von der Planung über die Ausführung bis hin zum gerade veröffentlichen „final report“ begleitet hat, wurde die ökologisch und ökonomisch günstigste Variante „Holzleichtbauweise“ ausgeschieden, weil vor allem die Bauherrschaft Probleme hinsichtlich Akustik, Werterhaltung, Pflegeaufwand und Akzeptanz bei den Bewohnern befürchtete.

Für die Ausführung gewählt wurde schließlich eine in der Gesamtbilanz nur geringfügig ungünstigere „Mischvariante“:

  • Stahlbetondecken aus akustischen Überlegungen und vor allem auch wegen des schlechten Baugrundes,
  • 2-schaliges Ziegelmauerwerk für die (aus Lärmschutzgründen) weitgehend geschlossenen Außenwände,
  • 1-schaliges Ziegelmauerwerk für die Wohnungstrennwände und
  • vorgefertigte Holzwand – Fensterelemente für die „offenen“ Südfassaden und Wintergärten in Verbindung mit
  • Fernwärmeversorgung aus dem nahegelegenen Hackschnitzel-Heizwerk,
  • einer Solaranlage zur Warmwasseraufbereitung (mit ca. 20 Jahren Amortisationszeit) und
  • einer kontrollierten Wohnraumlüftung (mit 5,6 Jahren Amortisationszeit).


Welchen Aufbau haben die Ziegel-Zweischalenwände?

Die 2-schaligen Ziegelwände bestehen von innen nach außen aus 25 cm Ziegel, 16 cm mineralischer Kerndämmung und 10 cm Ziegelvormauerung. Die Gesamtstärke der außen und innen verputzten Wände beträgt somit 51 cm, der U-Wert 0,20 W/m²K.


Haben sich Ihre bzw. die Erwartungen des Projektkomitees in Bezug auf das Ziegel-Zweischalenmauerwerk nach der Wohnungsübergabe im Oktober 1998 erfüllt?

Insgesamt ja. Der vorhin erwähnte, abschließende Technische Bericht vom Jänner 2001 weist für diese Wohnanlage nach 2 Jahren exakter Erfassung aller entsprechenden Daten im Vergleich zu allen anderen Wohnbauten der GSWB den absolut geringsten Energieverbrauch aus.
Die gemessenen Schalldämmwerte der Wohnungstrennwände und der Außenwand an der lauten Bundesstraße liegen deutlich über den geforderten Werten und – für mich das wichtigste – die Bewohner haben sich mit der „Haustechnik“ angefreundet, fühlen sich in ihrem neuen Zuhause wohl und freuen sich über die geringen Energiekosten.


Der Bürgermeister von Radstadt Josef Tagwercher hat in einer Schrift gemeint das es das Ziel des Bauvorhabens war – „höchste Wohnqualität zu günstigen Preisen unter bestmöglicher Ausnutzung alternativer Energien zu erreichen“. Wurde diese Ziel Ihrer Meinung nach erreicht?

Ich glaube ja. Das Ziel der gemeinsamen Bemühungen war es, eine Ausführungsvariante zu erarbeiten, die nicht nur die Komfortwünsche der Bewohner erfüllt und den Forderungen der Bauherrschaft z.B. hinsichtlich Werterhaltung usw. gerecht wird, sondern bei der auch sichergestellt ist, dass sie im knappen, durch die Bestimmungen der Wohnbauförderung vorgegebenen Kostenrahmen so umweltschonend wie möglich ist.


Was war Ihrer Meinung nach die wichtigste Erfahrung in diesem Projekt?

Dass sich die sorgfältige Vorbereitung, Planung, Ausführung und „Nachbereitung“ eines Projektes von der städtebaulichen Studie bis zur Abrechnung und Kontrolle des Energieverbrauches – durch ein Team von Fachleuten in jedem Fall lohnt.


Diese Projekt hat aber auch EU-weit für Anerkennung gesorgt. Würden Sie uns darüber berichten?

Das Projekt wurde als österreichischer Beitrag zum EU-Programm „Thermie-A“ eingereicht und nach eingehender Prüfung von der zuständigen EU-Kommission zusammen mit neun ähnlichen Vorhaben aus 9 EU-Ländern als europäische Modellbauvorhaben ausgewählt und mit ca. 3,2 Millionen ATS (bei ca. 62 Millionen ATS Gesamtkosten des ersten Bauabschnittes) gefördert. Alle diese Projekte sind innovative, energetisch optimierte Neubauten bzw. Generalsanierungen.


Könnten Sie sich ein weiteres solches Projekt auch ohne zusätzliche Fördermittel durch z.B. die EU vorstellen? Wenn ja, welche Voraussetzungen sollten dabei gegeben sein?

Ja, durchaus. Eine aufgeschlossene Bauherrschaft und – wie im Fall Radstadt – eine ebensolche Baubehörde, kooperative Sonderplaner und vor allem auch qualifizierte ausführende Firmen und Handwerker sind dazu notwendig.


Wie sehen Ihre Zukunftspläne aus? Was würden Sie gerne realisieren?

Zukunftspläne für einen Architekten und Lehrer? Weiterhin brauchbare Beiträge zur Gestaltung unserer Umwelt – vom Ortsbild bis zur Wohnungseinrichtung – liefern und weiterhin mitwirken an der Ausbildung eines qualifizierten Technikernachwuchses im Rahmen meiner Aufgaben an der HTL Saalfelden.

 

Herr Architekt KÖCK, vielen Dank für das Interview!