x

Günther Werner: Restaurierung und neue Bedachung für 586 Jahre Geschichte

Als im Jahr 2000 die UNESCO die Wachau zum Weltkulturerbe erklärte, wurden in diese Erklärung auch die historischen Kerne von Krems und Stein mit einbezogen.
Bis ins letzte Drittel des 19. Jahrhunderts war die Stadt Krems von einem Mauerring umgeben. Dieser wurde ab der Mitte des vergangenen Jahrhunderts systematisch geschleift und auch drei bedeutende Stadttore abgetragen.
Ein einziges Tor blieb erhalten, das „Steinertor“, heute das Wahrzeichen der Stadt. Außen wird das Portal links und rechts von Trabantentürmen flankiert, die, wie das untere Stockwerk des Tores, aus dem späten Mittelalter (1420) stammen.
Der Turmaufbau stammt aus wesentlich jüngerer Zeit, er ist barock und wurde in der Regierungszeit Maria Theresias errichtet, ein Chronogramm ergibt aufgelöst die Jahreszahl 1756. Im Dezember 2005 wurde das 700-jährige Stadtjubiläum von Krems gefeiert.

 

Das Interview wird mit Herrn Baumeister Günther Werner geführt, er war der hauptverantwortliche Projektleiter für die möglichst originalgetreue Wiederherstellung vom Steinertor in Krems.


Feier 700 Jahre Krems, Wiederherstellung Steinertor, wo lagen die Hauptproblematiken?

Werner: Wir mussten schon vor Baubeginn das Baubudget bekannt geben, kein einfaches Unterfangen im historischen Baubereich. Man weiß nie genau was einen erwartet und da ist es immer sehr schwer eine Summe zu nennen, die Auftraggeber erwarten dann natürlich auch, dass die Summen gehalten werden. Es wurde letztlich eine Punktlandung.
Der zweite Schwerpunkt war organisatorischer Natur, das Steinertor ist ein Verkehrsknotenpunkt für fließenden Verkehr und auch für Fußgängerverkehr.

Wegen Verzögerungen im Frühjahr und dem fixen Eröffnungstermin zur 700-Jahr Feier wurde es knapp, das haben wir insofern gebüßt, dass die Sockelzone noch einmal gemacht werden muss. Es war zu feucht, es ist sehr schnell kalt geworden und es war lange kalt.


Welcher Personen- und Interessentenkreis war bei dem Projekt zu koordinieren bzw. war entscheidend eingebunden?

Werner: Bundesdenkmalamt, Restaurator und die Stadt Krems als Auftraggeber. Die Entscheidungsträger waren primär, über die Art der Restaurierung, das Bundesdenkmalamt mit Dipl. Ing. Beicht, in zweiter Linie dann schon der Restaurator Herr Pummer. Beide haben praktisch die Linie festgelegt, wie die Fassadenrestaurierung durchzuführen ist. Wir haben alle Ausschreibungen für sämtliche Gewerke gemacht, die Baustellenkoordination, die Koordination und Organisation des Bauablaufs und die örtliche Bauaufsicht. Örtliche Firmen haben die Vereinbarungen mit Bundesdenkmalamt und Restaurator umgesetzt. Generell muss man das Projekt vielleicht in Fassadenrenovierung/ -restaurierung und in Dacherneuerung teilen. Beim Ziegel der Dachdeckung wurden sehr früh Überlegungen mit dem Bundesdenkmalamt hinsichtlich Wiederverwendung, Farbgebung und Oberflächenstruktur angestellt. Mit Tondach Gleinstätten gab es dazu schon im Vorfeld einen regen Informationsaustausch.


Originalgetreue war eines der obersten Gebote, wo war (ist) dies möglich und wo nicht?

Werner: In der Putzgestaltung, im Putzaufbau versucht man ans Original heranzukommen, man hat ja früher reine Kalkputze verwendet, jetzt verwenden wir Kalk-Trassputze. Das ist auch ein Putz der vom Bundesdenkmalamt forciert wird, damit meinen wir aber nicht Fertigputze, sondern einen baustellengemischten Kalkmörtel mit Trassbeigabe und mit bestimmten Sandarten, wobei wir aus drei Sandgruben der Umgebung das Rohmaterial genommen haben. Beim Dachziegel sind wir in der Ziegelform 100%-ig originalgetreu, weil wir die Form des Gotikbibers exakt nachgebaut haben. Es hat keine fertigen Formen gegeben, es musste das Werkzeug für die Ziegelproduktion nur für das Steinertor angefertigt werden, das ist letztendlich auch etwas ins Geld gegangen, wobei Tondach Gleinstätten sehr kooperativ und entgegenkommend war. Manchmal gibt es einen Zwiespalt zwischen originalgetreu und Haltbarkeit, so bei den Verblechungen. Wir haben großteils Bleiverblechungen verwendet, es sind Verblechungen, welche sich an die Oberfläche des Verputzes und des Untergrundes anpassen. Das wird praktisch auf den Untergrund mit kaum einem Überstand aufgetrieben, damit es am Objekt halbwegs natürlich aussieht. Die Gesimse waren ursprünglich unverblecht, das wären dann natürlich die Schadstellen, welche als erstes in einigen Jahren wieder auftreten. Das kann man sich heute in einem Bauprozess mit Gewährleistung nicht erlauben. Wir haben jetzt praktisch alle Gesimse mit Bleiblechen abgedeckt, von unten kaum sichtbar.


Die ursprüngliche Idee bei der Dachdeckung war es, Fehlbestände durch Neumaterial zu ergänzen. Das Bundesdenkmalamt entschied sich für die Neueindeckung. Welche Überlegungen gab es zu diesem Zeitpunkt?

Werner: Das Bundesdenkmalamt hätte gerne gehabt, das Altmaterial mit einzudecken, wir hätten für das Material die Gewährleistung übernehmen müssen und dies haben sich sowohl der Dachdecker als auch wir nicht getraut. Wenn es irgendwo anders ist, wo man leicht dazu kann, lasse ich es mir einreden, aber das ist sehr kompliziert, da oben auf den steilen Dächern einen Ziegel auszutauschen, praktisch nur mit Mobilkränen möglich und dadurch hohe Kosten anfallend. Darum wurde es letztendlich auch eine Neudeckung, wobei die Engobierung natürlich in der Denkmalpflege eine Gratwanderung ist und in jedem speziellen Fall sehr genau abgewogen werden muss.


Von Tondach Gleinstätten habe ich erfahren, dass hier firmeninterne angesammelte Kompetenz und Erfahrung im Bereich der Denkmalpflege zur Anwendung kam. Was wurde schließlich, erst 5 Minuten vor spätestens möglichem Produktionsbeginn fixiert?

Werner: In einer Sonderanfertigung wurden für die beiden flankierenden Türme ca. 24.000 Gotikbiber in Original-Schnittform und im Originalformat von 12x36x1,8 cm hergestellt. Wir haben mit einem so genannten Besengerüst eingedeckt, das heißt es sind Besen auf die Dachflächen gelegt worden, wo der Pfosten aufgelegt wurde und der Dachdecker darauf gesessen ist, natürlich angeseilt und der hat sich da hinaufgezogen. Der Hauptturm erhielt eine Eindeckung aus TONDACH - Altstadttaschen im Format 19x40x1,8 cm. Im unteren Zwischenteil des Turms verblieb die 40 Jahre alte Deckung. Die aufgeraute Ziegeloberfläche mit der dunkel-antiken Engobe nimmt dem Gesamtobjekt den Glanz der Neuheit. Die Diskussion war schon relativ früh in der Projektphase - engobieren oder nicht engobieren. Das Leistungsverzeichnis war schon mit Engobe ausgeschrieben, als eine mögliche Variante zur Naturfarbe des Dachziegels, aber das war noch keine Vorentscheidung. Man hat erstens auf den Preis gewartet, das war aber letztendlich nicht ausschlaggebend, sondern entscheidend für die Engobe war, dass von allem Anfang an schon ein abgewitterter Eindruck des Steinertors besteht und nicht die glänzende Neuwertigkeit, vor diesem Eindruck hatte das Denkmalamt etwas Angst.


Gibt oder gab es „besondere“ Besonderheiten bei der Wiederherstellung des Steiner Tores?

Werner: Das Besondere ist schon die Eindeckung mit dem Gotikbiber von Tondach Gleinstätten. Ich kenne kein Beispiel, wo für ein Gebäude ein Sonderformat produziert worden ist. Das zweite ist der Farbbefund für die Farbgestaltung der Fassadenflächen. Das Steinertor vor der Restaurierung durchgehend einfarbig gelb. Man hat dann bei der Befundaufnahme, nachdem das Gerüst aufgestellt worden ist, in der untersten Schicht welche noch erhalten war, verschiedene Färbungen entdeckt. Zum einen, dass die Quaderungen grau waren und die Rillen, die Nuten und die Nullflächen im barocken Bereich gelb waren. Auf Basis dieses freigelegten Farbbefundes ist dann die Farbgebung getroffen worden.


Als Kremser kennen Sie wahrscheinlich auch den Volksmund. Wie sind die Reaktionen auf die Sanierung des Steinertors.

Werner: Ich kenne eigentlich nur positive Reaktionen, ich habe auch keine negativen Reaktionen gehört, weder in der Zeitung noch in anderen Medien.


Haben Sie für den Leser ein Schlusswort?

Werner: Gebäude im denkmalgeschützten Bereich sollte man immer im Sinne der Denkmalpflege originalgetreu restaurieren, auch wenn es mehr kostet, und nicht auf Methoden zurückgreifen, welche für Neubauten entwickelt worden sind.

 

Der Verband Österreichischer Ziegelwerke dankt Herrn Bmstr. Werner für das interessante Gespräch!