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Dietmar Koch: Nachhaltiger Kern vom Niedrigenergiehaus bis zum Passivhaus

Interviewpartner ist Architekt Dipl.-Ing. Dietmar Koch, verantwortlich für Projektentwicklung und Projektleitung und Mitgesellschafter bei Leitner Baumeister Planung & Bauaufsicht Gesellschaft mbH in Graz.
Beim Zanklhof handelt es sich um eine im Jahre 1892 erbaute Fabriksanlage von der Firma A. Zankl & Söhne Farbenwerke, später als Betriebsstätte der Firma Farina in Verwendung. Die Anlage wird in Bauabschnitten seit 2003 unter dem Motto „Altes erhalten – mit Neuem gestalten“ revitalisiert und einer vorwiegenden Wohnnutzung zugeführt.

 

Was ist das Projekt Zanklhof und von welchen Dimensionen reden wir?

Der Zanklhof ist ein stilvoller Backsteinbau und stellt ein imposantes Denkmal der Industriearchitektur vergangener Zeiten dar. Er steht in einem Gewerbeareal, bestehend aus vier Teilliegenschaften inmitten einer sehr guten, ruhigen Wohnlage mit bester Infrastruktur im Norden von Graz. Unser Ziel war, das Gewerbegebiet in ein Wohngebiet umzuwandeln. Damit werden Konfliktstellen mit der bestehenden, angrenzenden und dichten Wohnbebauung beseitigt. Gleichzeitig entsteht durch unsere Folgenutzung mit modernen Wohnungen innerstädtischer Wohnraum mit einzigartigem Flair. Die Bearbeitung des Projektes erfolgt in zwei Bauabschnitten, wobei der erste Bauabschnitt 2003 begonnen und nach 18 Monaten Bauzeit im August 2004 fertiggestellt wurde. Dabei wurden 55 Wohneinheiten mit gesamt 3.760 m2 geförderter Wohnnutzfläche errichtet. Weiters wurden 358 m2 Büros und ein stilvolles Cafe integriert. Dieses erfreut sich aufgrund der interessanten architektonischen Ergänzungen in Verbindung mit alter historischer Bausubstanz großer Beliebtheit, die Wohnungen waren von Anfang an vergriffen.

Was ist neu beim aktuellen zweiten Bauabschnitt?

Dabei steht in besonderem Ausmaß die immer aktueller werdende Forderung nach Energieeffizienz und Ökologie im Vordergrund. Hier werden zusätzliche 90 Wohneinheiten mit einer Gesamtfläche von 5.850m2 geschaffen, davon 26 in Passivhausbauweise und 64 in ambitionierter Niedrigenergiebauweise. Bei den Passivhauswohnungen erfolgt die Restwärme- und Warmwassererzeugung über Erdwärme mittels fünf Tiefenbohrungen. In einem zentralen grünen und ruhigen Hof steht den Mietern ein Gemeinschaftshaus mit Spielplätzen zur Verfügung. Regenwassernutzung, thermische Solarenergie sind ebenfalls in das Projekt eingeflossen wie hocheffiziente Dämmmaterialen (in Form von Vakuumisolationspaneelen). Alle Wohnungen verfügen über großzügige Terrassen und Balkone. Die erforderlichen Abstellflächen für PKW’s werden großteils im Erdgeschoss eines Bestandsgebäudes bzw. am Außenrand des Areales untergebracht. Auch in diesem Bauabschnitt wird bestehendes historisches Backsteinsichtmauerwerk wieder restauriert und mit neuen, modernen Bauelementen kombiniert.

Wie kam es zum Projekt?

Die Haupttätigkeit unseres Unternehmens, mit 60 Mitarbeitern in Graz und Übelbach, liegt im Sanieren und Revitalisieren von Gebäuden. Dabei legen wir vor allem auf gute Lage, gute Gebäudesubstanz und architektonische Qualität des Bestandes Wert. So gesehen war der Zanklhof für uns natürlich „Liebe auf den ersten Blick“. Nachdem wir vom Voreigentümer bereits eine aufgelassene Mühle im Zentrum von Leoben erworben und in eine Wohnanlage umgebaut hatten, wurde uns dieses Objekt angeboten. Der Kauf war nur mehr die logische Folge und der erste Bauabschnitt in Angriff genommen. Nach Abschluss des ersten Bauabschnittes wurden drei Nachbarliegenschaften, die ursprünglich Teil des Gesamtareales des Zanklhofes waren, als zweiter Bauabschnitt erworben.

Worin bestand die große Herausforderung beim Projekt?

Beim ersten Bauabschnitt war wohl die größte Herausforderung, das Gesamterscheinungsbild dieser Fassade zu erhalten und mit neuen Gebäudekuben zu kombinieren, Da die ursprünglichen Geschosshöhen über 4 m hoch waren, wurden neue Geschossebenen eingezogen. Diese über die bestehenden Fensteröffnungen zu belichten, war spannend. Durch die Ausbildung von erdgeschossig erschlossenen Maisonetten wurden tolle Belichtungssituationen und Effekte erzielt.

Wie äußert sich beim Zanklhof die Nachhaltigkeit des Werkstoffs und Fassadenmaterials Ziegel? Konnte der Ziegel (mit seinen fast 120 Jahren) einfach als Fassadenmaterial und als Tragstruktur weiterverwendet werden? In welchem Zustand war die Substanz?

Zum Zeitpunkt unserer Übernahme war das Gebäude schon über Jahre nicht mehr benützt und entsprechend instand gehalten worden, sodass sich die Natur punktuell schon über das Gebäude her machen wollte und im Dachbereich armdicke Bäume sprießten. Das Ziegelmauerwerk hat die Jahrzehnte substanziell aber hervorragend überstanden, auch wenn es damals noch nicht die Ziegelqualitäten einer modernen, heutigen Ziegelindustrie gab. In der Fassade waren einige Ziegel ausgebrochen bzw. durch Stahlträgermontagen und dgl. beschädigt, diese Bereiche wurden natürlich saniert. Aber gemessen an der Beanspruchung des Gebäudes auch durch die gewerbliche Nutzung hat das Gebäude die Jahrzehnte bestens überstanden.

Wie wurden ALT und NEU verschmolzen? War es schwierig die heute gültigen Bauvorschriften (z.B. Wärmeschutz, Schallschutz, Brandschutz, …) zu erfüllen?

Unserem Wahlspruch „Altes erhalten – mit Neuem gestalten“ folgend konnten wir hier einige pointierte Akzente in diese Richtung setzen. So ergeben die auf den Altbau aufgesetzten „Wohnboxen“ einen reizvollen Kontrast zur Backsteinfassade. Auch die über den Mühlgang, einen am Gebäude entlang fließenden Wasserlauf, kragenden Balkone ermöglichen holländisches Wohnflair inmitten von Graz. Das Erfüllen der Bauvorschriften betreffend Brandschutz und Schallschutz war mit Ziegelbauweise natürlich keine Herausforderung. Da aber beim Erhalten der Sichtziegelfassaden außen keine Dämmung aufgebracht werden konnte, wurde diese in bauphysikalischer Abklärung nach innen verlegt. Da muss man sich die Details genau ansehen.

Was ist Ihr persönliches Highlight beim Projekt Zanklhof?

Zeitgemäßes und nachhaltiges Bauen und die Umsetzung von Energieeffizienz gerade in der Sanierung ist heute wichtiger denn je. Gerade in der Sanierung hat man die Möglichkeit, einen bestehenden hohen Energiebedarf manchmal auf ein Zehntel (Faktor 10) zu reduzieren, was einer tatsächlichen Energieeinsparung entspricht. Man muss ja auch bedenken, dass jeder Neubau, so energieeffizient er auch sein mag, zusätzlichen Energiebedarf bewirkt! Daher ist die Umsetzung der Passivhausbereiche, sowohl in Ziegel-, als auch in Mischbauweise sowie die Gesamtumsetzung dieses ökologischen Konzeptes mein persönliches Highlight.

Vielen Dank für das interessante Gespräch mit dem Verband Österreichischer Ziegelwerke!

Fotos: Bmstr. Leitner GmbH