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Dietmar Eberle - Atmosphäre statt Maschine

Dietmar Eberle: "Atmosphäre statt Maschine"

Es geht beim Bürohaus in Lustenau um sinnvolle Zusammenhänge für den Nutzer. Es benötigt wenig graue Energie, es sorgt dank der elementaren Mittel der Architektur für ein Wohlbefinden, wie es dank der angenehmen Proportionen und dem selbsterklärenden Gebrauch entstehen kann. Interviewpartner ist der Bauherr und Vordenker dieses innovativen Gebäudeprojekts - Prof. Arch. Dipl.-Ing. Dietmar Eberle
Portrait Eberle: © Kees

Frage:
Was war Ihr Antrieb für die Projektumsetzung?
Eberle:
Es handelt sich dabei um ein rein finanzielles Investment. Das Grundstück wurde vor acht Jahren gekauft und dies ist eine finanzielle Anlage und Zukunftssicherung.

Frage:
Was war eine energetische Grundüberlegung zum Konzeptansatz?
Eberle:
Betrachten wir die Energieverlustseite über die Hülle, so haben wir einerseits Transmissionsverluste andererseits haben wir lufthygienische Anforderungen durch Luftwechsel, der in den bisherigen Energie-Bedarfsberechnungen immer als konstanter Faktor (0,4-facher Luftwechsel) betrachtet wird, was aber nicht wirklich richtig ist.Für die Lüftungsverluste gibt es zwei Faktoren, die wichtig sind, einerseits ist die Luftdichtheit des Gebäudes, eine ganz entscheidende Frage und zweitens ist der Lüftungsbedarf ausschließlich abhängig vom Benutzer, nicht zu vergessen sind potenzielle Einträge durch die verwendeten Baustoffe und die Einrichtung.
Wie viele Leute in diesem Haus wirklich wann sind – kommt in einer normalen Berechnung und auch Steuerung nicht vor.
Deswegen beschäftigt sich die Technologie im dem Gebäude nur mit den „Spuren“ die ein Nutzer hinterlässt und diese Spuren steuern die Lüftung.

Frage:
Wie geht das?
Eberle:
Das, was wir in Lustenau machen, ist Folgendes: Wir messen den Lüftungsbedarf durch sogenannte CO2-Sensoren, neben der Feuchtigkeit, d.h. in jedem Raum bzw. in jeder thermischen Einheit befinden sich CO2-Sensoren, die den lufthygienischen Zustand beurteilen und dieser lufthygienische Zustand entscheidet über die notwendige Luftmenge, die in die Räume eingebracht wird.

Frage:
Also ein Haus mit mechanischer Lüftungsanlage?
Eberle:
Nein, wir ersetzen bei dem Gebäude erstmals Hardware durch Software.
Sie müssen sich das Haus wie einen Baum vorstellen, das Haus atmet einfach selber, es reagiert auf das was drinnen passiert, es reagiert auf die Bedingungen im Außenbereich und daraus überlegte es sich - was ist das sinnvollste für mich.
Ein Baum verändert sich auch, manchmal richtet der Baum die Blätter aus und die Fotosynthese findet auch nur am Tag statt.
Das Gebäude ist wie ein Baum, der probiert sich die Bedingungen zunutze zu machen, die er gerade vorfindet und genau das macht dieses Haus auch.


© „Eduard Hueber – a r c h p h o t o“

Frage:
Keine mechanische Lüftung, wie kommt es zum „geregelten“ Luftaustausch?
Eberle:
Das ist ein ganz großes Thema: Welche Strömungsverhältnisse stellen sie in Räumen her - abhängig von der Besonnung, von Druckverhältnissen innerhalb / von Druckverhältnissen außerhalb des Gebäudes, von Temperaturunterschieden in der Umgebung et cetera.
Über Strömungsverhältnisse in Abhängigkeit von unterschiedlichen Umgebungsverhältnissen haben wir eine Unmenge von hochkomplexen Simulationen (in Michigan) durchgeführt, um zu ermitteln, welche Form von Lüftungsöffnungen brauchen wir, damit ohne den Einsatz von zusätzlichen mechanischen Lüftungsanlagen eine Lüftungssteuerung eintritt bzw. eintreten kann.
Das heißt, das was wir Lustenau machen, wir ersetzen die normale Hardware (mechanische Lüftungsanlage) durch Software.
Das heißt immer wenn man meint dass das Gebäude keine Technik besitzt, ist das ein großes Missverständnis, die Technik wird im Prinzip unsichtbar, weil sie eben Software (in Verbindung mit geeigneter Konstruktion) darstellt.

Frage:
Ein schonender Umgang mit Ressourcen und mehr Unabhängigkeit?
Eberle:
Die Grundhypothese für das Gebäude ist ganz einfach, dass was Nachhaltigkeit immer wollte: Wie können wir mit den Ressourcen, die wir besitzen, so umgehen, dass ihr Nutzwert langfristig besser und höher wird.

Frage:
Was sind die Ressourcen?
Eberle:
Die wichtigste Ressource ist natürlich der Mensch selbst. Es ist die Ressource, die in der normalen Energiebedarfsberechnung immer als eine Art Störfaktor betrachtet wird und in der Berechnung immer konstant gesetzt wird. Im Nachhinein wird dann sehr oft behauptet, dass der Mensch / der Nutzer sich falsch verhalten hat.
Das ist ein ganz anderer Ansatz, den wir machen, indem wir den Menschen / den Nutzer als Ausgangspunkt für energetische Überlegungen haben und wir ihm nicht „aufzwingen“ wie er sich zu fühlen hat und wie er sich zu verhalten hat.

Frage:
Und die Kosten?
Eberle:
Wir benutzen wesentlich weniger Hardware und bedingt durch die weniger Hardware haben wir natürlich niedrigere Instandhaltungskosten.
Das ist heute ist ein großes Problem, viel Hardware und die notwendigen Instandhaltungskosten kompensieren die Energieeinsparungen ganz gewaltig und führen tendenziell zu einer Verteuerung und nicht zu einer Verbilligung. Das wissen eh alle, aber es sagt niemand so.


© „Eduard Hueber – a r c h p h o t o“

Frage:
Der Mensch im Mittelpunkt …?
Eberle:
Der Mensch ist für mich die wichtigste Ressource, die ich habe, was habe ich sonst noch - die Außentemperatur, die Luftqualität in der Umgebung und dann noch Licht, Fenster, Räume, Raumhöhen usw.
Dabei ist mir bei den Lüftungsöffnungen wichtig, dass bei diesen Fenstern eine Nutzerfreiheit vorhanden ist. Je thermischer Einheit sind in Lustenau nur zwei der Lüftungsöffnungen (Fenster) für das System notwendig, die anderen drei sind für den Nutzer beliebig zugängig. Normalerweise haben sie immer ein Problem, wenn die Leute ihre „Fehlbedienungen“ von Häusern machen, da kommt dann das technische System ins Wanken – warum stört mich das hier überhaupt nicht?
Ich messe nicht irgendwelche nutzerunabhängigen Zustände, sondern nur das, was durch den Nutzer verursacht wird, egal ob das CO2, Luftqualität, Feuchte, … ist. Das ist es was ich messe - darauf reagiert das System, d.h. das System reagiert auf den Nutzer und nicht umgekehrt. Das ist eigentlich der Schlüssel, d.h. der Schlüssel ist Software.

Frage:
Die Software regelt im Winter und Sommer?
Eberle:
Ich weiß für jeden Raum Temperatur, CO2-Verhältnisse, Lichtverhältnisse, Öffnungszustand der Fenster, Feuchte usw. es gibt natürlich auf dem Dach eine Wetterstation.
Denn im Winter behaupten wir, das die internen Wärmequellen bzw. ein so genanntes Backup System - das kann auch immer irgendetwas sein, auch eine Kaffeemaschine - es spielt keine Rolle, was es ist, weil dies über die Software kontrolliert wird. Im Sommer machen wir die Kühlung über den Tag-/Nacht-Ausgleich.In unserem Klima ist nur in vereinzelten Tagen (in den ganzen verfügbaren Wetteraufzeichnungen) nachgewiesen worden, dass die Nachtabkühlung (Temperatur) nicht unter 20° C sinkt, das ist nicht für alle Klima normal, aber hier in Mitteleuropa weitgehend.
Und mit dieser Nachtabkühlung kühlen wird das Gebäude ab und am Tag wird nur laut CO2, sprich nach Lüftungsbedarf, gelüftet.


© „Norbert Prommer“

Frage:
Albert Einstein schreibt man das Zitat „Man muss die Dinge so einfach wie möglich machen. Aber nicht einfacher.“ zu. Kann man das Zitat auf das Gebäude anwenden?
Eberle:
Wissen Sie das Wort einfach, ist heute so missverständlich, sodass ich es mittlerweile nicht mehr gerne verwende. Aber wir müssen die Dinge so effizient machen, wie es geht. Effizient, ohne dabei auf Komfort zu verzichten. Effizienz heißt in Zukunft für mich auch gewisse Ansprüche an den Komfort und an die Lebensqualität zu erfüllen.
Ob da drinnen jemand wohnt oder ein Architekturbüro oder eine Handelsniederlassung oder einen Showroom hat ist egal, das interessiert mich nicht mehr, das sind Fragen aus dem letzten Jahrhundert. Im Prinzip ist fast jede Verwendung abgebildet.
Dass was man durch Architektur bestimmt, sind ganz einfache Rahmenbedingungen - räumliche Dimensionen, Länge, Breite, Höhe, Lichtqualitäten und dann müssen sie eine gewisse Konzeption haben um gewisse technische Einrichtungen implementieren zu können, also technische oder funktionale Einrichtungen einbauen zu können.
Vielmehr ist es nicht.

Frage:
Ist ihr Gebäude, ihr Investment, eine langfristige Investition?
Eberle:
Dieses Gebäude ist dafür ausgelegt, dass sie aus jeder Einheit eine Wohnung gemacht werden kann in der Sie arbeiten, oder es kann ein Büro in dem sie schlafen gemacht werden. Das ist ein gewisser installationstechnischer Aufwand aber Sie wissen wenn man sich mit Nachhaltigkeit beschäftigt weiß man, dass eigentlich die langfristige Nutzung und Nutzungsflexibilität eine ganz besondere Qualität darstellt, die den Gebäuden langfristig Wert gibt. Weil die Nutzung ist, genau das, was eine kurze Lebensdauer hat.

Frage:
Von welchen Zeiträumen / Nutzungsdauern reden wir …?
Eberle:
Wenn sie ein Gebäude analysieren, werden Sie feststellen, dass sie es mit fünf ganz unterschiedlichen Zeitfenstern zu tun haben.
Der Ort des Gebäudes und sein Verhältnis zur Infrastruktur und zur Öffentlichkeit, das ist das, was mit Abstand am ältesten wird - nämlich über 200/300 Jahre.
Das Tragwerk des Gebäudes in Verbindung mit den Vertikalen, sprich Treppenhäusern, ist das was sie heute laut Gesetz mit 100 Jahren Garantie belegen müssen (das steht in der Schweiz in jedem Ziviltechnikergesetz als Anforderungen an statische Strukturen). Sie müssen die Standfestigkeit gewährleisten und die damit verknüpften Sicherheiten.

Die dritte Kategorie ist im Normalfall die Hülle des Gebäudes, also die Fassade, das heißt, diese haben eine durchschnittliche Lebenserwartung von rund 50 Jahren (es gibt Oberflächen mit geringerer Lebensdauer, aber auch Oberflächen mit wesentlich längerer Lebensdauer, z.B. Klinkerfassaden).
Während die Nutzung des Gebäudes, also die Art wie sie das Gebäude nutzen, das hat eine Lebenserwartung im Normalfall von nicht mehr als einer Generation, ca. 25 (30) Jahre. Auf Grund der Entwicklungen: Der Technologische Veränderungen, gesellschaftliche Veränderungen, arbeitsrechtliche Veränderungen, dienstrechtliche Veränderungen – da gibt es so viele Veränderungen, die sich so unterschiedlich auswirken, darum eine Generation maximal.

Die inneren Oberflächen des Gebäudes haben im Normalfall eine Lebensdauer von 10 bis 15 Jahren, dann müssen sie neu malen, die abgehängte Decke auswechseln, Fußböden auswechseln usw.

Frage:
Das wird an den Architekturschulen gelehrt?
Eberle:
In der Architekturtheorie des Ganzen 20. Jahrhunderts betrachten wir nur die Nutzung als Ausgangssituation architektonischen Entwerfens. Wenn Sie mich fragen, halte ich das nicht für zukunftsfähig!
Und wissen Sie die Geschichte beweist uns das auch, wir sehen das immer wieder an hochfunktionalen, optimierten Gebäudebeständen, die keine innere Adaptionsfähigkeit besitzen, die werden dann halt abgebrochen.
Und das ist ein theoretischer Fehler, dass man einfach ans Falsche gedacht hat als man es gemacht hat.

Frage:
Woran soll man in der Architektur zuerst denken?
Eberle:
Ich sage heute ist die Schlüsselfrage für jedes Gebäude der Beitrag zur Öffentlichkeit, das ist der Ausgangspunkt des Entwerfens und architektonischen Nachdenkens, auch wenn der Anlass immer wieder der unmittelbare Bedarf nach Nutzung ist.
Aber wenn ich mit dem beginne zu denken, mache ich genau das, was wir jetzt 50 Jahre gemacht haben, dass wir Gebäudebestände produzieren, die eben nach 30 Jahren äußerst kritisch gesehen werden.
Gehen Sie einfach davon aus, dass wir eine falsche Architektur Theorie haben wir verwechseln - Anlass für ein Bauwerk und den Grund für das Bauwerk - das verwechseln wir.

© „Norbert Prommer“

Frage:
Aber es gibt doch viele alte Gebäude, z.B. Gründerzeit, die sehr gerne genutzt werden …
Eberle:
Das ist genau der große Unterschied zwischen den Gebäudebeständen des 19. Jahrhunderts und der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, dass die Gebäudebestände des 19. Jahrhunderts eine viel höhere soziale Akzeptanz besitzen, einfach aufgrund dessen, dass sie einfach als Qualität besessen haben sich mit Nutzung überhaupt nicht zu beschäftigen, klingt zwar ganz komisch ist aber so, und das sie nicht aus der Nutzung die Gebäudestruktur determiniert haben, sondern die Gebäudestruktur als feststehendes eigenes Prinzip vorhanden war, in die dann sozusagen Nutzung in verschiedenen Formen implementiert worden ist.

Frage:
Architekturtheorie …?
Eberle:
Das ist genau der große Unterschied zwischen den Gebäudebeständen des 19. Jahrhunderts und der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, dass die Gebäudebestände des 19. Jahrhunderts eine viel höhere soziale Akzeptanz besitzen, einfach aufgrund dessen
D.h. wir haben ein wenig ein theoretisches Problem, dass wir eigentlich mit der Architekturtheorie mit der wir die letzten 50 Jahre beschritten haben, die müsste man umschreiben.
Die Schwierigkeit diese umzuschreiben besteht ja nur in den Gehirnen jener, die diese unterrichten. Von denen wird verlangt, dass sie erkennen, was sie selber gelernt haben und jetzt ihren Jugendlichen weitergeben, dass dies nicht zukunftsfähig ist - ein schwieriges Maß an Selbsterkenntnis.
So sehr ich das quantitative Wachstum der letzten 50 Jahre als deutlichen sozialen und gesellschaftlichen Fortschritt sehe, so sehr müssen wir jetzt erkennen, dass wir in der Bewältigung dieses Fortschritts einen Großteil unserer Energien aufwenden, im Bauen in den nächsten 30 Jahren.

Schlimm ist eher, dass viele Entscheidungsträger meinen sich marktkonform zu Verhalten, das ist sehr tragisch mit öffentlichen Mitteln, sie müssen sich verantwortungsvoll zukunftskonform verhalten!
Weil eines ist, auch klar, wir vermögen weder aus Ökonomischen, obwohl es viele ökonomische und ökologische Gründe gäbe, die aus den fünfziger, sechziger, siebziger und achtziger Jahren vorhandenen Bestände von Gebäuden, die für diesen riesigen Energiebedarf den wir heute haben verantwortlich sind, die zu beseitigen, dass vermögen wir nicht. Wir werden länger lernen müssen mit diesem Kramuri umzugehen, obwohl es vernünftiger wäre, wir hätten es nicht.

Frage:
Wo ansetzen?
Eberle:
Die Transmissionsverluste sind der viel kleinere Teil der notwendigen Energie, die sie zur Beheizung und zum Betrieb von Gebäuden benötigen.
Natürlich gibt es so schlechte Bestände aus den sechziger und siebziger Jahren, wo die Transmissionsverluste deutlich höher sind als die Lüftungsverluste, aber die Transmissionsverluste zu optimieren ist kein Problem, dazu haben wir ein relativ hohes Know-how. Witzigerweise, den wesentlichsten Beitrag hat nicht die Dämmindustrie geliefert, es war die Glasindustrie.
Das große Thema ist, was wir heute als gesellschaftliches Ziel akzeptieren?
Das sind vielleicht Standards, wie es das Passivhaus vorschlägt, dort ist das große Thema eben der Lüftungsverlust, der macht den großen Unterschied.
Nur mit diesen Lüftungsverlusten haben wir uns bis heute eigentlich immer nur mit entsprechender Hardware beschäftigt und das halte ich für den großen Denkfehler für die Zukunft.

Ähnlich wie im Transportwesen, der Bau von Lagerhallen eigentlich nur eine Frage von der Zeit ist, wie lang sie Güter lagern müssen. Das ist ein rein logistisches Problem, dass sie mit Software lösen, das heißt, wir haben heute den Bau von weiteren Lagerhallen verhindert, weil wir heute eine bessere Software haben, die die Logistik verstärkt. Das war der Fortschritt, dass wir viel weniger Hardware, sprich weniger Lagerhallen gebraucht haben, aber dafür mehr Know-how, wie wir den ganzen Warentransport steuern.
Das ist der Gedankenvorgang, den wir schlussendlich auch in den Gebäuden brauchen. Also nicht immer noch mehr Hardware, noch mehr Lagerhallen, nein, sondern gescheiter managen, was da drinnen vorgeht - das ist der gedankliche Ansatz. Diesen Ansatz haben sie übrigens in der ganzen Industrie, in der ganzen Wertschöpfung.

Frage:
Im Prinzip reden wir in Österreich seit 20 Jahren vom „Heizwärmebedarf“ als der Energiekenngröße im Bauwesen. Seit der Gebäuderichtlinie 2002 spricht die EU von der notwendigen Sichtweise „Gesamtenergieeffizienz über das ganze Jahr“ – gedacht ist damit die Gebäudehülle, die Haustechnik und die Energieträger in der Jahresbilanz von Winter und Sommer.
Der neue Energieausweis 2013 reagiert darauf und hat als Labeling den Heizwärmebedarf, die Treibhausgasemissionen (CO2), den Primärenergiebedarf (PEBne,ern) und den Gesamtenergieeffizienzfaktor (als Vergleich zu 2007, fGEE). Mit welcher Kennzahl (oder Kennzahlen) würden Sie Ihr Bürogebäude am liebsten messen bzw. beschreiben?
Eberle:
Also auch diese bezogen auf das Gebäudeverhalten reduzierte Energiebetrachtung des Energieausweises ist gesellschaftlich sehr irrelevant, tut mir einfach leid.
Was schlussendlich immer fehlt, was aber die Schlüsselfrage ist, ist doch die Frage: auf welchem Komfort-Niveau wollen wir überhaupt leben?
Die ETH-Zürich propagiert ein 2000-W-Gesellschaftsmodell, das vielleicht etwas mehr Einfluss auf der Welt hat, als das österreichische Energieausweismodell.
Da geht es um eine ganz einfache Wertvorstellungen, dass ungefähr ein Bedarf von 2000 W pro Person und Tag schlussendlich global diesem Planeten, als eine in Relation zur Bevölkerungsentwicklung angemessener Energieaufwand ist, denn jemand konsumieren kann. Wir leben heute in einer 6000-W-Gesellschaft.

Aber 1964 haben wir noch in einer 2000-W-Gesellschaft gelebt und wenn sie sich fragen, was sich den seit 1964 verändert hat - in der Tat ist es nicht die Bevölkerungsanzahl, sondern es ist die Vorstellung, wie wir leben und deshalb spielt diese Vorstellung auch die Schlüsselrolle in einer langfristigen Betrachtung, wenn wir aber in all diesen Normen nicht einmal darüber reden - wie soll das gehen?

Sie können in Ihrem Privathaus, egal, aus welcher Zeit es ist, einen so niedrigen Energiebedarf haben, weil es Ihnen ein Anliegen ist und sie leben blendend. Andere verbrauchen das Sechsfache, weil sie andere Wertvorstellungen haben und in Wirklichkeit ohne über diese Wertvorstellungen zu reden kann ich nicht über Energieeffizienz und über Energiekennzahlen reden, das macht gar keinen Sinn.

Frage:
Zur Konstruktion: Die Bauweise mit 2 mal 38 cm Ziegelaußenwand ist außergewöhnlich. Warum wurde diese Konstruktion gewählt?
Eberle:
Die Konstruktion aus 2 x 38-cm-Hochlochziegel ist einfach die optimale Schnittmenge aus Tragfähigkeit und U-Werten und gleichzeitig schafft diese Konstruktion die Voraussetzungen für solide mineralische Putze mit gelöschtem Kalk, dazu brauchen sie einen harten Untergrund.
Gleichzeitig ist diese Konstruktion absolut schadstofffrei und unbedenklich, seit langer Zeit erprobt und die Speichermasse durch die dynamischen Simulationen bestätigt.Wirtschaftlich lag, nach der Ausschreibung, diese Konstruktion an erster Stelle.


© „Eduard Hueber – a r c h p h o t o“

Frage:
Ich erinnere mich noch an Besuche während der Errichtungsphase. Das Erdgeschoß mit 18 Ziegelscharen (4,50 m) und die fünf oberen Geschoße mit 14 Ziegelscharen (3,50 m) Rohbaulichte waren beeindruckend, angenehm und in Kombination mit den raumhohen Fenstern …
Eberle:
Die raumhohen Fenster sind einfach dazu da, um eine möglichst hohe Tageslichtnutzung zu haben. Ich weiß nicht ob sie‘s wissen, aber in 80 % der Fälle sitzen die Fenster falsch - weil Stürze vorhanden sind oder Verbreiterungen sind oder wegen der vielfach sinnlosen Jalousien, all dies reduziert den Tageslichteintrag. Das können sie auch durch noch so breite Fenster nicht kompensieren. Es ist ziemlich faszinierend für mich, wir machen so breite Fenster, weil wir sie an der falschen Stelle positionieren, es hilft zwar lichttechnisch nichts, aber es ist wunderbar – wir sind alle zufrieden.
Die Ergebnisse in Lustenau sprechen für sich.

Frage:
Selten sieht man auch eine solche Konsequenz in der Materialverwendung – Ziegel in den Außenwänden, Ziegel bei den Stiegenhauswänden, Ziegel bei den Liftschachtwänden usw. Ich bin an Häuser aus früheren Zeiten erinnert, wenig Materialmix, viele natürliche und langlebige Materialien (Ziegel, Kalkputz, …). Ist diese Überlegung Bestandteil des Baukonzepts?
Eberle:
Das hat einfach auch mit dem Baufortschritt zu tun, also mit der Geschwindigkeit des Bauens. Sobald Sie mischen, sind sie viel langsamer, zweitens gibt es Probleme mit Fugen-, Rissbildungen. Das ist also eine in sich schlüssige, materialkonforme Konstruktionsweise. Sie haben auch zum Beispiel zwischen Ziegel und Beton unterschiedliche Längenausdehnungskoeffizienten, wenn Sie dies alles vermeiden, tun sie sich einfach leichter.
Das Material ist schadstofffrei, langlebig, … - eine ideale Basis für das Projekt in Lustenau.

Frage:
Der Energieausweis mit seiner Bedarfsrechnung ist eine Sache. Wie sind Sie an das Projekt herangegangen? Steckt das KnowHow aus fast 30 Jahren Büropraxis in diesem Konzept?
Eberle:
Ich bin zertifizierter Energieberater und ich weiß jetzt, warum er falsch ist. Der Unterschied ist vielleicht der, ich weiß, wo die Fehler liegen und aufzupassen ist, während andere Berechner nicht wissen, was sie falsch machen.

Frage:
Braucht das Haus die Nutzer zum Funktionieren?
Eberle:
Das ist relativ einfach - für mich machen Häuser ohne Nutzer einfach keinen Sinn. Wenn man den Nutzer als etwas anderes sieht als das Haus, hat man gleich ein Problem im Kopf. Also Häuser ohne Nutzer, da können sie gleich zu Adolf Loos zurückgehen - das sind nur Monumente und Denkmäler, Monumente und Grabstätten. Der Benutzer ist das Haus, der braucht es. Ohne den brauche ich kein Haus, weil Monumente bauen ich will nicht und Grabstätten bauen auch nicht.

Frage:
Wie sehr muss man den Nutzer / Bewohner für so ein Konzept mitdenken?
Eberle:
Ich persönlich denke nicht, dass man Nutzer simulieren kann, insofern halte ich dieses wohl gemeinte architektonische Mitdenken für einen Schwachsinn.
In Wirklichkeit schafft man durch ein Haus Rahmenbedingungen für den Benutzer, wie sie der bespielt, ist seine Angelegenheit nicht die des Architekten. Insofern muss der Benutzer nie mitgedacht werden, sondern man muss sich nur eines überlegen: Welche Möglichkeiten von Nutzungen decke ich durch so ein Gebäude ab?
Dass was sich als Architekt mache, ist ja nichts anderes als dass ich Rahmenbedingungen mache und Grenzen definiere und die bestimmen darüber, was der Einzelne damit machen kann.


© „Norbert Prommer“

Frage:
Gibt es dafür Beispiele?
Eberle:
In Amsterdam haben wir mit dem ehemaligen Direktor einer alteingesessenen Genossenschaft, die besitzen über 20.000 Wohnungen, ein Gebäude gebaut, wobei die Gebäudenutzung nicht von Interesse war.
Nach der Fertigstellung hat man es bei eBay versteigert, also vermietet. Da war einfach die Frage: Wie viele Euro zahlen Sie für welchen Quadratmeter in diesem Haus?
Und daraus hat sich eine Nutzungsmischung ergeben von sozialem Wohnbau, von Privathotels, von Rechtsanwaltskanzleien, von Montessori Kindergärten und von der Niederlassung einer großen amerikanischen Büromöbelherstellers.

Wenn Sie jetzt probieren darüber in der Entwurfsphase nachzudenken, sage ich Ihnen haben sie keine Chance. Wenn Sie mich aber fragen, was denn langfristig mehr Werterhaltung besitzt, diese Form der Nutzungsmischung und der Rahmenbedingungen, die so weit ausgelegt sind, dass dies alles parallel möglich ist, ist es wahrscheinlich, im öffentlichen Interesse, eine viel nachhaltigere Investition, als wenn sie ein auf eine kurzfristig auf eine Generationennutzung hin abgestellte Vorstellung von Wohnbau verwirklichen.

Frage:
Ein weiteres Beispiel …?
Eberle:
Das Zweite was ich Ihnen sagen möchte, wir bauen in Belgien ein Krankenhaus mit 1400 Betten wir haben dort einmal untersucht, weil Krankenhäuser gelten als hochspezialisierte Gebäude.
Für mich war, während wir entworfen haben, nur die eine Frage entscheidend - was passiert mit dem Gebäude, wenn es kein Krankenhaus mehr ist. Das ist die viel entscheidendere Frage. Wir sind draufgekommen, dass wir nur 3 % der Fläche so hoch spezialisieren müssen, dass uns nicht sofort eine andere Art der Nutzung einfällt. Denn alles andere ist beliebig adaptierter.

Frage:
Gibt es dazu gespeichertes Wissen, Bücher …?
Eberle:
Was sie vielleicht nicht wissen, ich leite seit über 10 Jahren das „Wohnforum“ an der ETH Zürich. Das „Wohnforum“ ist eine Forschungsstelle von 15 bis 20 Wissenschaftlern aus dem Bereich Sozialwissenschaften, Projektmanagement, Entscheidungsprozesse und Kulturwissenschaften. Mit dem „Wohnforum“ versuchen wir ein gesellschaftliches Verständnis für das Wohnen, also den Wohnbau zu entwickeln.
Und eine der witzigen Untersuchungen welches wir gemacht haben war, jetzt im Herbst erscheint dazu ein Buch, es heißt „Baubiografien“, da haben wir untersucht, wie die Geschichte eines Gebäudes ist.
Um herauszufinden, ob es irgendwelche Faktoren gibt, die einem Gebäude langfristigen Wert generieren, das ist ja das Problem, dass viele haben – die Investition, die Werterhaltung, … also in unterschiedlichen Gesellschaften unterschiedlich wichtig und das heißt, wir haben und sehr genau angesehen was passiert eigentlich in diesen Gebäuden und dann bekommt man ein relativ komplexes Bild davon - welche Faktoren das man braucht.



© „Norbert Prommer“

Frage:
Was war noch besonders spannend bei Ihren Untersuchungen?
Eberle:
Eine Zweite Sache, die wir am Wohnforum X mal gemacht haben: Was wurde gedacht, als ein Gebäudeentwurf erstellt wurde, wie funktioniert das Gebäude nach fünf Jahren, was passiert in dem Gebäude nach zehn Jahren usw. - also wir nennen das Evaluation (fachliche Bewertung): Wissen sie und da haben wir eins herausgefunden, was vollkommen lustig ist - ein Gebäude ist noch nie so verwendet worden, wie es gedacht war - und das geht bis zum Wohnungsgrundriss.

Sie kennen ja diesen berühmten Effekt, dass Leute sich immer darüber beschweren, dass die Elektrosteckdosen immer an der falschen Stelle sind. Das ist der ganze logische Sache. Da hat sich einer am Anfang, was anderes gedacht als dann die Nutzung war.

Übrigens aus diesem „Wohnforum“ haben wir, das ist das ganz seltenes, einen sozialwissenschaftlichen Spin-off gemacht und die Firma heißt „ImmoQ“, die beschäftigt sich mit Qualitätsfragen und Qualitätskriterien für die Entwicklung von, in dem Fall hauptsächlich aus der Demographie entwicklungslogischen Konsequenzen und Anforderungen bei neuen Bauvorhaben. Das ist etwas ganz seltenes, dass aus einer technischen Hochschule, ein sozialwissenschaftlicher Spinn-off, der auch noch überlebt, entsteht. Die „ImmoQ“ sind schon in der Selbstständigkeit und am Erwachsenwerden und aus dem heraus kriegt man dann halt eine andere Sicht der Dinge.

Frage:
Kann man dieses Konzept auch auf einen Wohnbau umlegen? Ist so etwas angedacht?
Eberle:
Man kann dieses Konzept auch auf den Wohnbau umlegen, daran sind wir momentan. Wir probieren auch im Moment die Förderungen des Landes Vorarlberg, die im sozialen Wohnbau auf Passivhaus abgestellt sind, für solche Projekte zu generieren. Baubeginn ist nächstes Jahr - zwei Projekte, von privaten Bauträgern im sozialen Wohnbau, gibt es.
In Wirklichkeit ist das für viele Bauten anwendbar, weil es um eine ganz einfache Frage geht: Wie erziele ich einen höheren Komfort bei einem niedrigeren Aufwand in der Investition und im Betrieb?

Frage:
Aus Rückmeldungen höre ich, die Architekturszene schaut sehr genau auf das Gebäude und wird auch auf Erfahrungen der Nutzer warten. Was kann man den „Beobachtern“ zu den zu erwartenden Vorteilen oder Nachteilen sagen? Soll das Projekt nachgeahmt werden?
Eberle:
Das Gebäude nachzumachen geht derzeit einmal nicht, weil die Software das Geheimnis des Gebäudes ist. Das heißt das Gebäude kommt durch das zum Funktionieren nicht durch das, was man sieht, sondern durch das, was man nicht sieht.


© „Norbert Prommer“

Frage:
Wird das Gebäude messtechnisch begleitet?
Eberle:
Nicht das Gebäude wird messtechnisch begleitet, sondern jeder Raum (jede thermische Einheit).
Durch die Sensoren, die wir in den Räumen haben, haben wir die kompletten Aufzeichnungen über das was in den Räumen passiert - viel mehr als sie es in einem normalen Gebäude je durch messtechnische Anlagen haben werden.
Sie werden es in Lustenau auch auf den Touch-Panels sehen, der Nutzer kann sich auf den Touch-Panel anschauen, wie der Temperaturverlauf der letzten Tage / Wochen / Monate war, wie der CO2-Verlauf der letzten Tage / Wochen / Monate war.
Das sind lauter Standard-Komponenten, keine Neuentwicklungen.

Frage:
Wo sehen Sie Probleme im Bauwesen?
Eberle:
Ich glaube, dass wir generell im Bauwesen darunter leiden, dass wir eine zu starke Segregation von Wissen haben in immer mehr Detailgebiete. Ich erzähle ihnen einmal etwas Lustiges. Ein hier ansässiger, sehr guter Bauphysiker, hat einem Gebäude 280 Stück Wärmebrücken gerechnet. Dann haben wir geschaut, was die Wärmebrücken für den Energieverbrauch des Hauses im Jahr bedeuten. Dabei sind wir draufgekommen, die 280 (punktuellen) Wärmebrücken haben weniger als ein Prozent des Energieverbrauchs determiniert. Genau damit beschäftigen wir uns - das ist unser Denkfehler.

Frage:
Ein großes Thema in den Medien ist derzeit „Leistbares Wohnen“. Denken Sie, dass Ihr Konzept einen Beitrag zum „Leistbaren Bauen“ im Nicht-Wohnbau und Wohnbau sein kann?
Eberle:
Die Frage ist äußerst komplex, was das Gebäude in Lustenau kann, das es die Betriebskosten der Gebäude zuerst einmal reduzieren.
Also das teuerste jeder Investition sind die Finanzierungskosten, also wenn Sie in Europa billigen Wohnbau machen wollen, müssen sie immer die Finanzierung entsprechend adaptieren. Das ist die soziale Umverteilungsfrage, mit der sich Wohnbau jetzt in den hochentwickelten Industrieländern seit 100 Jahren beschäftigt.

Nehmen wir für den Nutzer als das leistbare Wohnen die Miete. Die Miete wird primär determiniert durch die Finanzierungskosten, das ist immer, wenn sie nach 20 Jahren schauen, das teuerste am Wohnbau, sonst gar nichts.
Die Erstellungskosten die hängen auf der einen Seite sehr stark ab von den Grundstücksrelationen und von all den technischen Auflagen, die wir ja politisch in wohlmeinender Voraussicht zu gern beschließen. Also die OIB Richtlinie hat mehr Einfluss auf die Mietkosten als der Energieverbrauch.
Da könnte man es noch mehr darüber diskutieren, was denn welchen Einfluss auf die Kosten hat, aber eines muss einem klar sein, die Finanzierung ist das zentrale Problem über Leistbarkeit. Leistbarkeit heißt, dass es beim Endbenutzer ankommt und da ist immer der größte Aufwand die Finanzierung.
Das Zinsniveau ist derzeit sehr niedrig, wenn man aber glaubt, damit spielen Mehrkosten durch Technik oder durch „wohlgemeinte“ Richtlinien keine Rolle, so täuscht man sich. Wenn das Zinsniveau steigt, bedeuten diese Mehrbelastungen die Wohnungsleerstände der folgenden Jahre.

Frage:
Welche Ratschläge würden Sie der Politik zum Thema „Leistbares Wohnen“ / „Leistbares Bauen“ geben?
Eberle:
Wissen sie Wohnbaukosten zu diskutieren auf einer technischen Ebene das ist so dumm, das glauben Sie gar nicht. Schauen Sie ich habe über 25.000 Wohnungen in meinem Leben gebaut, ich weiß, wovon ich rede, mehr als die meisten Wohnbauträger jemals gemacht haben, ich weiß, wovon ich rede.
Die Wohnbauten sind in Europa vielfach deutlich billiger, wenn wir in Österreich von 1600 € bis 2000 € Errichtungskosten reden, reden wir in Frankreich von 1000 €, in Belgien 1200 €, in Holland von 1100 €, in Deutschland mittlerweile von 1100 – 1200 €.
Ein vernünftiges Modell der Leistbarkeit, das Mietzinsmodell, welches die Wohnungen relativ günstig machte, wurde von der Politik einfach abgeschafft.
Also Wohnungskosten haben fast nichts mit dem Investitionsaufwand der Baukosten zu tun schauen Sie zum Beispiel sie beschließen Ausnutzung von Grundstücken.
Sie müssen aber eines wissen, dass in Wirklichkeit der Grundstücksanteil in den Wohnungskosten in guten Ländern bei ungefähr 25 % liegt, machen sie eine andere Grundstückspolitik, ich nicht könnte noch viel sagen.

Frage:
Ist die Verdichtung im Wohnbau eine Lösung?
Eberle:
In Wirklichkeit haben wir einen großen Fehler gemacht, die Ausgangssituation ist relativ einfach: Die Idee der Moderne im 20. Jahrhundert ist die Idee der „Siedlung“, gegenüber der Stadt, als Reaktion auf die Missverhältnisse 19. Jahrhunderts, die in der Stadt zweifellos vorhanden waren. Obwohl genau dort wo die großen Missverhältnisse aufgetreten sind, das sind die Teile, die heute die höchste soziale Akzeptanz haben.

Der Grund dafür, dass die klassischen Gründerzeit-Bauten damals so unbeliebt waren und heute so beliebt, ich kann es Ihnen sagen: Die damalige Besiedlungsdichte dieser Quartiere die lag bei ungefähr 8 - 10 m² pro Person und heute liegt sie bei 40 - 50 m² pro Person. Das heißt, wir haben, um es etwas pragmatischer zu sagen, wir haben einfach Leute aus diesen Quartieren herausgenommen, jetzt sind sie wunderbar. Das hat mit den Häusern nichts zu tun, verstehen sie, da wird immer Ursache und Wirkung miteinander verwechselt.


© „Norbert Prommer“

Frage:
In welchen Dichten soll gebaut werden?
Eberle:
In dieser „Gründerzeit“ hat man eine Dichte von ca. 2,5 - 2,8 gehabt und die „Siedlung“ hat eine Dichte von 0,8 - 1,5. Die „Siedlung“ ist zum einem sehr unbeliebten Wohnort geworden, dass wenn es sich jemand leisten kann, er dort auszieht.
Warum zieht er dort aus?
Weil die Qualität, die er bekommt, die 0,8 - 1,5, die wir heute so ernst nehmen, ist genau jene Dichte, wo sie weder eine brauchbare Öffentlichkeit generieren können - dazu sind die Distanzen und räumlichen Verhältnisse alle viel zu weit, die Fußleitfähigkeit wird kritisch - und gleichzeitig die Privatheit als Außenraumqualität, die sie im klassischen Westend haben, sprich in Dichten um 0,4, die geht auch verloren.

Das heißt, wir haben auf der einen Seite die Idee der Privatheit aufgegeben und gleichzeitig, aber sie aber nicht ersetzt durch die Idee der Öffentlichkeit, wie wir sie in städtischen Verhältnissen so besonders schätzen. Wir haben irgendetwas dazwischen gemacht, wo sie weder Privatheit noch eine überzeugende Öffentlichkeit haben.
Insofern glaube ich, wird es darum gehen dass wir uns durchaus auch physikalisch nicht falsch, gewisse Teile, die vielleicht aus den sechziger, siebziger Jahren sind, mit einer Dichte von 1,0 oder so etwa, die werden wir entfernen und mit Dichten von 2,5 - 3,0 ersetzen und dann schaffen sie es große Quantitäten zu bewerkstelligen und gleichzeitig schaffen sie es nachhaltigere Lebensverhältnisse, die auf dem Prinzip der Fußleitfähigkeit beruhen, wiederherzustellen.


© „Norbert Prommer“

Frage:
Einfamilienhaus pfui?
Eberle:
Ich bin jetzt ein ganz pragmatischer Typ, die Leute sind nicht irrational und ich schaue mir sehr genau, an was Leute eigentlich tun. Ich habe zwar technokratisch ein Missing Link zwischen 0,4 – 0,5 in Einfamilienhaus-Dichten und im Mehrfamilienhaus mit Dichten von 0,8 bis 1,5, aber da bin ich bei den Leuten - aus der 0,5 ein 1,0 in der Dichte zu machen ist ein Verlust, ohne dass es einen Gewinn darstellt.
Das ist auch für mich auch wieder dieser Ansatz, wo jemand die Grundlagen nicht versteht, weil er sie nicht erforscht hat und mit ideologischen und technokratischen Ideen bestimmt.
Das ist in der Energietechnik genau das Gleiche, ohne die Grundlagen zu verstehen und den Nutzer den Menschen in den Mittelpunkt zu stellen. Im Normalfall haben wir bei vielen modernen Häusern nur ein Problem, einen einzigen Störfaktor, das ist der, der das Gebäude benutzt. Das können wir durchaus so sehen nur wenn Sie mich fragen, ob das zukunftsfähig ist, würde ich sagen NEIN.

Und bei der Dichtediskussion genau das Gleiche, verstehen Sie mich, wir müssen einfach begreifen was wir bisher zu wenig Begriffen haben, gewissen Dichten sind gewisse Qualitäten zugeordnet, und ohne dass ich über Qualitäten rede, wissen Sie, und die Qualität ist nicht Grundstück etwas mehr zu benutzen oder ein bisschen weniger Landverbrauch zu haben, das ist auf einer individuellen Ebene überhaupt keine Qualität.
Aber ohne dass ich diese Qualitäten für unsere Gesellschaft, für die Menschen die dort Leben benennen können, ohne das ist alles graue Theorie.

Ich kann mir die Welt ohne Menschen nicht vorstellen.

 

Vielen Dank für das interessante und lehrreiche Gespräch mit dem Verband Österreichischer Ziegelwerke!